Mitten in Olching:Hauptsache beständig

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In einer unbeständigen Welt gibt es noch Dinge, die Bestand haben wie die alljährlichen Haushaltsreden. Nur irrt, wer diese Beständigkeit mit Langweile gleichsetzt

Von Julia Bergmann

In dieser unbeständigen, in dieser grässlichen, beschleunigten Welt, tut es gut, wenn es Dinge gibt, die Bestand haben. Und genau so ein Ding mit Bestand findet, wer den Olchinger Haushaltsreden lauscht. Beständig sind nicht nur die Reden. Diese werden gerne in epischer Länge vor den Kollegen, der Presse und dem einen hartgesottenen Vertreter des Volks ausgebreitet, der es an diesem Abend wirklich bis ganz zum Schluss durchziehen will. Beständig sind auch die Rollen, die die Politiker dabei einnehmen. Da gibt es die, die beharrlich dagegen stimmen (die Grünen), oder die, die gerne mahnende Worte finden und am Ende noch ein lateinisches Zitat einbauen (FW-Fraktionsvorsitzender Ewald Zachmann). Es gibt auch die, die, so oft es geht und so viel es geht loben (Bürgermeister Andreas Magg), und es gibt die, die aus dem Loben gar nicht mehr herauskommen wollen, wie Finanzreferentin Martina Freudenstein (SPD).

Eigentlich schön, wenn die Frau, die über die Zahlen wacht, voller Euphorie und liebevoller Zuneigung vom Haushalt sprechen kann. Weil man sich dann ja in Sicherheit wiegen darf. Alles läuft, niemand hat geschlampt und die Stadt schießt keine Millionen für Irrsinns-Investitionen in die Luft. Aber das Tragische am Schönen, am Soliden und Normalen ist ja, dass man allzuschnell in Unaufmerksamkeit abdriftet. Vor allem wenn eben jenes auf rund zwanzig Minuten dargelegt und mit den Worten eingeleitet wird, man habe genau das gleiche zu sagen wie der Vorredner. Und so vermischt sich der dunstige Wortwust aus Kreisumlage, Schlüsselzuweisung, Vermögens- und Verwaltungshaushalt mit dem kalten, schwachen Licht der Ipads und Smartphones der Kommunalpolitiker. Umspült wird das Ganze vom sanften Rauschen steten Gemurmels, vom legeren Schlurfen der Füße auf dem Weg zur Toilette. So geht es dahin mit dem Haushalt, "dem unstrittigsten seit Langem". Bis der Wortschwall versiegt und ein gelöstes Wispern den Saal erfüllt.

Verlass ist aber auch auf den Kritiker, den, der gerne Spitzen austeilt, CSU-Fraktionsvorsitzenden Tomas Bauer. Belustigt vom Ausmaß des gesamten Spektakels bedeutet er mit diabolischem Lächeln: Nach Frau Freudenstein müsse er irgendwie mithalten und hievt mit theatralisch herbeigeführtem Krachen einen zehn Zentimeter hohen Stapel Papier auf den Tisch. Der Saal lacht. Und so zeigt sich, dass irrt, wer Beständigkeit mit Langeweile gleichsetzt.

© SZ vom 14.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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