Mitten in Gröbenzell:Volksvertreter mit Selbsterkenntnis

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Warum es ein Antrag für eine neue Kindertagesstätte in Gröbenzell schwer haben wird

Kolumne Von Ariane Lindenbach

Politiker: seltsame Wesen. Nennen sich selbst "Volksvertreter", was ja im Wortsinne nichts anderes bedeutet, als dass sie für die Interessen jenes Volkes eintreten, von dem sie mehrheitlich an die Macht gewählt worden sind. Dabei scheint die Interessensvertretung unter einem bemerkenswerten Phänomen zu leiden. Je ferner von seinem Volke der gewählte Politiker sich aufhält, desto weniger Interessen seiner jeweiligen Wählerschaft vertritt er. Vor diesem Hintergrund erscheint es als wahrer Segen, dass es im politischen System der föderalen Bundesrepublik nicht nur einen Bundestag gibt, sondern jedes Bundesland auch noch seinen eigenen Landtag besitzt und jede Kommune sogar ihren eigenen Gemeinde- oder Stadtrat.

In diesen volksnahen Gremien gibt es ab und zu regelrechte Erkenntnisorgien. So kann es passieren, dass dem gemeinen Politiker, zumindest sofern er denn in den niederen Gefilden der Kommunalpolitik beheimatet ist, eine Art von Selbsterkenntnis zuteil wird, die normalerweise eher dem Normalbürger widerfährt. Gemeint ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion, die in besonders erfolgreichen Fällen sogar bis zur Selbsterkenntnis führen kann. So wie unlängst im Gemeinderat Gröbenzell, der ja seit den jüngsten Kommunalwahlen zum ersten Mal seit seinem Bestehen nicht von einem CSU-Mitglied angeführt wird, sondern von einem Anhänger einer unabhängigen Wählergemeinschaft.

Ob die erstaunlichen Erkenntnisse jüngst mit den verschobenen Machtverhältnissen zusammenhängen, ist nicht bekannt. Allerdings scheinen die neuen Konstellationen auch das Selbst-Bewusstsein einiger Gemeinderäte zu stärken. So brachte Inga Wiebers (SPD) nonchalant ihren Antrag auf Bau einer Kindertagesstätte in der Bahnhofstraße ein. Voll Selbstironie gar mit dem Zusatz garniert: "Alle Jahre wieder." Tatsächlich treten die Sozialdemokraten in Gröbenzell seit Langem für eine bessere Kinderbetreuung ein. Sitzungsleiter und Rathauschef Martin Schäfer reagierte indes nicht unbedingt so, wie man es von einem Bürgermeister erwartet. Statt reflexhaft auf Abwehr zu gehen, reagierte er unterstützend: "Wir müssen bauen." Die schonungsloseste Einsicht kam aber von Michael Leonbacher (FW): "Tempo und Bahnhofstraße - das wird schwierig."

© SZ vom 29.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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