Mitten in Gröbenzell:Grenzerfahrung im Spukschloss

Lesezeit: 1 min

Der Besuch einer Gemeinderatssitzung in Gröbenzell ist eine besondere Herausforderung. Der VdK wagt sie

Von Stefan Salger

Es gibt Politiker, die genießen einen fast schon legendären Ruf als kantige Dauerredner, die keinem Konflikt mit fehlgeleiteten politischen Gegnern aus dem Weg gehen. Und es gibt politische Gremien, die einen fast schon legendären Ruf genießen, weil sie Heimstätte besonders vieler solcher Alpha-Tiere sind. Die Folge: fundamental geführte, langatmige Wortgefechte. So ist es in Gröbenzell nicht ungewöhnlich, dass eine Gemeinderatssitzung gespenstische Züge annimmt und fast nahtlos in die Geisterstunde mündet. Selbst abgehärtete Politiker, Zuschauer und Berichterstatter geraten da an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Aus soziologischer und psychologischer Perspektive kann ein solches Kräftemessen demokratisch legitimierter Gladiatoren freilich auch lehrreich sein. Wie anders wäre es zu verstehen, dass sich nun der Sozialverband VdK ausgerechnet den Gröbenzeller Gemeinderat als Anschauungsobjekt ausgesucht hat? Am Donnerstag begibt sich der Ortsverband "auf ungewöhnliche Wege", wie er unumwunden einräumt. Unter dem Titel: "Wie funktionieren ein Gemeinderat und seine Organe?", lädt er nachmittags alle unerschrockenen Bürger ins Gröbenzeller Rathaus ein. Offiziell geht es um den Versuch, "das Verständnis und die Einsicht für kommunale Belange und deren Entscheidungsprozesse der Bürger zu wecken", zu Bürgerbeteiligung zu motivieren und Schwellenängste abzubauen. In Wahrheit geht es natürlich darum, eine herausfordernde Grenzerfahrung zu machen, so wie es das Tapfere Schneiderlein vorgemacht hat. Übersteht die Gruppe den Besuch bei Bürgermeister Martin Schäfer ungeschoren, dann folgt als nächste Eskalationsstufe der Besuch einer abendlichen Gemeinderatssitzung. Da könnte sich übrigens herausstellen, dass ein Organ des Gremiums tadellos funktioniert: die Galle. Vielleicht steckt hinter der ganzen Aktion aber auch ein genial ausgetüftelter Plan des VdK, neue Mitglieder - in diesem Fall Junggesellen - zu gewinnen. Bei wem der Groschen immer noch nicht fällt, der möge im Werk Ludwig Bechsteins von 1853 nachschlagen. Im Märchen "von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen", werden da Begehrlichkeiten geweckt: Wer es lang genug im Spukschloss aushalte, heißt es da, "der bekommt die Prinzessin".

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: