Mitten in Gröbenzell:Essbares Rathaus

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Zahlreiche Kommunen im Landkreis wollen mittlerweile essbar werden. Beim Gröbenzeller Rathaus-Neubau muss sich die Gemeinde deshalb in Acht nehmen

Von Stefan Salger

In gewisser Weise lebten Hänsel und Gretel trotz möglicher Defizite im familiären Bereich doch im Paradies. Und genau da will auch der Landkreis hin. Aber der Reihe nach: Bevor das Geschwisterpaar die böse Hexe in den Backofen schieben konnte, nahm seine Geschichte zwar einen kurzzeitig bedenklichen Lauf. Gesichert aber ist, dass sich die beiden vor dem finalen Happyend an einem Profanbau satt essen konnten. Da die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ihre "zehn Regeln, vollwertig zu essen und zu trinken" noch nicht formuliert hatte, weil es sie noch nicht gab, Adipositas und Diabetes mithin also auch noch keine Themen waren, geschah dies mit reinstem Gewissen. Das seltsame Knusperhäuschen mitten im Wald war "aus Brot gebaut und mit Kuchen gedeckt, und die Fenster waren von hellem Zucker", wie ein aufmerksamer Augenzeuge notierte.

Was nun läge in einem prosperierenden Landkreis wie Fürstenfeldbruck näher, als sich neue Ziele zu setzen und das ziemlich druckfrische Leitbild noch schnell nachzubessern. Kommen Energie- und Verkehrswende nicht so recht voran, so könnte sich die Sache mit dem paradiesischen Schlaraffenland schon wuppen lassen. Märchenprinzen wie die Bürgermeister Erich Raff oder Norbert Seidl haben gute Vorarbeit geleistet für eine gedeihliche Entwicklung. Sie herrschen über Ländereien wie die "Fürstenäcker" oder die "Stadtbeete". Erst in der vergangenen Woche wurde eine Puchheimer Emissärin in die Bürgerstuben nach Eichenau entsandt, um auch dort die frohe Botschaft von der "essbaren Stadt" zu verkünden. Und die Puchheimer Schule Süd säte bereits eine Blumenwiese und bewarb sich prompt um den Titel "Essbare Schule". Eine richtige Rohkost-Revolution erfasst das Land.

Einzig in Gröbenzell herrscht Bauchgrimmen. Zum einen kann man nicht "essbare Stadt" werden, weil man die Stadtwürde vor ein paar Jahren abgelehnt hat. Zum anderen ist es eine Horrorvorstellung, will die "Gartengemeinde" doch ein neues Rathaus bauen. Man stelle sich vor: erst werden Millionen investiert und sorgsam die passenden Baumaterialien ausgewählt, und dann kommen Hänsel, Gretel und all die anderen und knuspern die Lebkuchen und den ganzen Zuckerguss gleich wieder weg. Ein Happyend wäre das nicht.

© SZ vom 07.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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