Mitten in Gröbenzell:Der Zyklus der Zitronensäure

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Wenn der Vorgänger für den Nachfolger unterschreibt oder vom Verschwinden und Wiederkommen alter Bekannter

Von Stefan Salger

Die Welt unterliegt einem steten Wandel. Taucht etwas ab, schließt bald etwas anders die Lücke, und wenn's bloß das Unkraut im Garten ist. Zum Punkt Abtauchen fällt einem das Bermuda-Dreieck in der Karibik ein, das angeblich regelmäßig ausgewachsene Flugzeuge und Schiffe verschluckt. Spurlos verschwunden sind auch schon Raumsonden im Weltall oder Politiker von Bühnen und Bildschirmen. Der Schweinsfuß-Nasenbeutler ist in den Fünfzigerjahren ebenso unwiederbringlich verschwunden wie 400 Jahre zuvor die Puerto-Rico-Höhlenstachelratte, Gott hab sie selig.

Aufgetaucht hingegen sind neben den pilzförmigen Meereslebewesen, die dänische Forscher jüngst im Fachblatt "Plos One" auf den Namen Dendrogramma tauften, auch namenlose Insekten im tropischen Regenwald - und damit im Dunstkreis der ebenfalls aufgetauchten Panama-Papers. Spätestens da dämmert einem: Lediglich eine Konstante könnte über alle Zweifel erhaben sein: die fortschreitende Veränderung, das Gesetz vom endlosen Werden und Vergehen. Ja, könnte - wäre da nicht Hermann Baumgartner, der die Gewissheiten aus dem Biounterricht nun aus den Angeln hebt. Haben wir uns in der Schule nicht alle die Gesetzmäßigkeiten der Evolution eintrichtern lassen - wenn wir nicht gerade in mühevollen Stunden den Kreislauf des Zitronensäurezyklusses auswendig gelernt haben?

Wir erinnern uns noch gut: Bis zum Halbjahr war Baumgartner Direktor des Gröbenzeller Gymnasiums. Dann wurde der Pädagoge, dessen Karriere zu prächtiger Blüte gelangt war, mit salbungsvollen Worten in den Ruhestand verabschiedet. Der eine geht, der andere kommt: Boris Hackl übernahm am 20. Februar den Chefsessel. Und doch regiert der alte Chef anscheinend bis heute rein. Am Ende des Einladungsschreibens, das der SZ-Redaktion am 3. Juni zugestellt wurde und das von einer "feierlichen Überreichung des Abiturzeugnisses" an diesem Freitag in der Aula des Gymnasiums kündet, grüßt freundlich ein Altbekannter: "gez. Hermann Baumgartner".

Was hat es mit dem Brief, den wir hier mal auf den Namen Gröbenzeller Papers taufen möchten, auf sich? Ist dem Sekretariat schlicht ein kleiner Lapsus unterlaufen oder hat Stehaufmännchen Baumgartner Boris Hackl vom Chefsessel gemobbt und setzt unter Berufung auf die Kreisläufe dieser Welt an zur Karriere-Renaissance? In solch unsteten Zeiten, in denen sich so viele Gesetzmäßigkeiten als Trugschlüsse erweisen, bleibt uns nur noch eine letzte, unverrückbare Gewissheit: der Zitronensäurezyklus.

© SZ vom 24.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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