Mitten in Grafrath:Reicher Nachbar

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Wie viele Einkommensmillionäre ein Landkreis hat, kann man manchmal auch am Zustand der Straßen erkennen

Kolumne von Andreas Ostermeier

Man merkt es am Straßenbelag. Ganz deutlich. Kaum ist bei Mauern der Landkreis der Millionäre verlassen, beginnt das Auto zu wackeln. Der Straßenbelag hat Risse und Unebenheiten sowie hier und da ein kleines Loch. Aus ist es mit dem Dahinschweben, das eben noch die Fortbewegung bestimmt hat. Das abrupte Rütteln und Schütteln zeigt den Ort des größten Reichtumsgefälles von Oberbayern an. Der Unterschied zwischen Bruck - zwei Millionäre auf 10 000 Einwohner - und Starnberg - 16,6 Millionäre pro 10 000 Einwohner - könnte größer kaum ausfallen, und ist direkt zu spüren. Reichtumsgrenze Mauern. Handelte es sich um eine Besonderheit der Landschaft, es gäbe einen Hinweis. Aber so: Kein Schild weist auf das große Gefälle hin, kein Oberland-Reiseführer verzeichnet es. Ein stiller Rekord.

219 Einkommensmillionäre leben im benachbarten Landkreis. Was könnte ihnen Bruck bieten, damit der eine oder die andere von ihnen hierher zieht? Das Pucher Meer? Das Kloster Fürstenfeld? Das Brauhaus Maisach? Die Skyline von Germering? Das alles brauchen die Einwohner im benachbarten Landkreis nicht. Sie haben den Ammersee und den Starnberger See. In denen können sie baden, auf denen können sie segeln. Sie haben Kloster Andechs und das dortige Bräustüberl. Beides so schön und beliebt, dass vom heiligen Berg die Rede ist. Sie haben das Alpenpanorama, das vielerorts zu sehen ist. Und was ist mit der Skyline? Nun, Gilching bemüht sich redlich, bald so zugebaut zu sein wie Germering.

Doch muss Fürstenfeldbruck überhaupt zu Starnberg aufschließen? Wäre es am Pucher Meer schöner, wenn es dort eingezäunte Privatbadestege gäbe? Und welche Kommune im Landkreis würde sich freuen über mit Mauern umgebene Grundstücke, deren Eingänge mit Videokameras gesichert sind? Mauern darf gerne Oberbayerns Grenze mit dem höchsten Reichtumsgefälle bleiben. Für den Fall, dass sie den Autofahrern nicht mehr auffallen soll, braucht es nur eine neue Asphaltschicht auf der Fahrbahn.

© SZ vom 02.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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