Mitten in Grafrath:Feuerwehrleute als Filmemacher

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Einsatzkräfte entdecken bei Dokumentation ihrer Arbeit eine künstlerische Ader

Von Christian hufnagel

Es muss mal eine Zeit gegeben haben, als die Künste noch Künste waren und also ein Künstler noch Künstler gewesen ist. Ihn umschmeichelte der Mythos, ein absolut seltenes Talent zu besitzen, das nur ganz, ganz wenige mit ihm teilten. Ausgestattet mit Schöpferkraft und Ästhetikgefühl, gebar er überirdisch erscheinende Ergebnisse und entfachte allenthalben demütige Bewunderung. Und kein niederer Berufstätiger wäre so vermessen gewesen, nach dessen künstlerischen Ausnahmefähigkeiten zu trachten und sich mit dem Auserwählten in Rang und Ansehen gleichzusetzen. Der Schuster, er blieb bei seinen Leisten. Aber heute teigt der Bäcker nicht nur in seiner vertrauten Materie herum und schnippelt die Friseuse längst über die Haare hinaus. Es gibt das Smartphone als Handwerkszeug und die damit verbundenen sozialen Netzwerke als Medium. Und schon ist jeder als Fotograf und Filmer unterwegs.

Auch Feuerwehrleute. Besonders jene in Grafrath zeichnen sich dabei durch Kreativität aus. So dokumentieren sie auf ihrer Facebook-Seite in Bild und Text professionell den Alltag, von der erfolgreichen "Leistungsprüfung Wasser" mit Mannschaftsbild vor Einsatzwagen bis zur Bierbankatmosphäre bei der Feier einer Radl-Rallye. Richtig künstlerisch wird es in der kleinen Video-Sammlung: 21 Sekunden unter Motorsägen-Lärm, bis die schiefe Fichte krachend auf der Straße landet; oder 24 Sekunden im Strahl des Wassers, bis die brennende Thujen-Hecke im Garten einer Villa rauchend gelöscht ist. Höhepunkt der Filmkunst ist allerdings der einminütige Einblick in die Aufräumarbeiten nach dem jüngsten Orkan - mit einem visuellen Gag am Ende: Der Stamm eines umgestürzten Baumens wird so weit verkürzt, bis er mit seiner Flachwurzel wieder in die Senkrechte zurückschnellt: "Hast Du das jetzt gesehen?", schreit eine Stimme aus dem Off und setzt einen entzückten akustischen Schlusspunkt für diese skurrile Szene, die Zerstörung und Neuanfang, Abholzen und Wiederaufforsten vereint.

So schauen die Grafrather Feuerwehrmänner als Filmemacher durchaus gut aus, verbinden sie doch Dokumentation mit Spannung, Unterhaltung und auch ein klein wenig Horror. Bei diesem Talent ist es schade, dass sie beim jüngsten Einsatz, als sie einen Baum beseitigen mussten, die Begegnung auf dem Rückweg nicht cineastisch verarbeitet haben, sondern nur verbal: "Wir möchten uns bei dem Pärchen entschuldigen, dessen Schäferstündchen wir in einem Pkw mitten im Wald gestört haben. Wir wollten nur helfen, nachsehen, ob alles in Ordnung ist."

© SZ vom 18.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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