Mitten in Germering:Vernissage im Schichtbetrieb

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Die Corona-Zeiten gehen an Künstlern und Kunstkennern nicht spurlos vorbei

Kolumne von Christian Hufnagel

Es ist so eine wohlklingende Bezeichnung, die den Anlass veredelt und die dem von seiner Natur aus exquisiten Gegenstand des Interesses noch mehr Exklusivität verleiht. Etwas Ewigliches weht da herein, eingedenk der ursprünglichen Bedeutung des Wortes. Wenn in früheren Ölgemäldezeiten eines dieser Werke seinen letzten Pinselstrich erfuhr, wollte es natürlich für die Nachwelt konserviert werden. Auf das Bild wurde Firnis aufgetragen. Der Klarlack sollte das Bild vor Umwelteinflüssen schützen und zugleich die Farben in besonderer Weise zur Entfaltung bringen. Aus diesem "Firnissen" wurde schließlich eine förmliche Eröffnung der Ausstellung, welche sich eben als Vernissage immer irgendwie attraktiver anhört.

Auch die Galeristin Martina Frey lädt regelmäßig zu einer Vernissage ein, nur diesmal klingt es anders. Aus dem Corona-Zwangsschlaf gerade erwacht, kann sich die Germeringerin freuen, sofort wieder einen neuen Künstler präsentieren zu können. Und wer also die Abstraktionen des Münchner Malers Dominik Lommer sehen will, wird "herzlich" zu seiner Ausstellung "Fragmente" eingeladen, explizit an diesem Donnerstag, 14. Mai, von 19 Uhr an. Aber weder das Wort "Eröffnung" noch gar "Vernissage" kommen in der Ankündigung vor, nur der Zusatz "unter Beachtung der aktuell geltenden Abstands- und Kontaktregelungen" lässt darauf schließen, dass sich hier Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt treffen sollen - leibhaftig und nicht virtuell: "Eine Vernissage ist derzeit nicht erlaubt", klärt die Ausstellungsmacherin auf, zumindest nicht in der herkömmlichen Form, dass sich Menschen in engen Räumen um Kunst und Künstler drängen. Mundschutz und Abstand sind die sowieso schon alltäglichen Grundauflagen zum Schutz vor einer Infektion. Das andere wird eine Ausstellungseröffnung im Schichtbetrieb sein: Rund zehn Gäste werde sie immer in die Galerie einlassen. Im Beisein des Künstlers wird die Gastgeberin dessen Werke erläutern und diese Laudatio dann auch für jede weitere Gruppe halten. Die Wartenden könnten derweil in die hervorragende Eisdiele um die Ecke gehen, rät die Galeristin, die trotz der Erschwernisse froh ist, wieder Gäste zu begrüßen. Denn auch wenn sie schon länger alle Ausstellungen zugleich virtuell präsentiert, kann für sie die digitale Welt den echten Besuch nicht ersetzen: "Kunst funktioniert am Besten analog", sagt sie und verweist auf Merkmale wie Duktus, Vielschichtigkeit oder Anmutung, welche zweifelsohne nur im direkten Anblick des Bildes zu erfahren sind. Und für solch einen Eindruck kann eine Vernissage wie der Klarlack für ein Gemälde wirken.

© SZ vom 13.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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