Mitten in Germering:Verlockung für Jungsenioren

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Wie sich das Cineplex in Neugermering um die ältere Generation bemüht

Von karl-wilhelm götte

Es gibt Programmkino, aber auch Zielgruppenkino. Um Letzteres bemüht sich das Cineplex in Neugermering ganz besonders. Ob Ehrenamtliche, Kinder, Frauen oder Flüchtlinge, die Kinobetreiber kümmern sich um alle. Am Mittwoch lädt das Filmtheater nun die "Generation 50 plus" ein. "Ein geselliges Zusammensein bei Kaffee und Kuchen" wird von 14 Uhr an versprochen. Eine Stunde später schauen sich alle gemeinsam "Die Trapp Familie - Ein Leben für die Musik" an. Die Spanne der potenziellen Besucher - also die Zielgruppe - ist breit, sogar sehr breit gefasst. 50 plus beginnt per Definition bei 51 und endet beim Ableben. Gemeint sind Menschen, die an einem Wochentag um 14 Uhr Zeit haben, Kaffee mit Kuchen mögen und es sich von 15 Uhr an in einem Kinosessel gemütlich machen wollen.

Bei einem derart attraktiven Angebot wird sich der 51-jährige Siemens-Ingenieur, der in München arbeitet, kurz nach der Mittagspause sputen, dass er rechtzeitig eintrifft. Mancher fährt morgens erst gar nicht zur Arbeit, weil er sich vom Chef nicht die Laune auf das spektakuläre Nachmittagsereignis verderben lassen will. Wahrscheinlich schlagen einige sich unentbehrlich fühlende Erwerbstätige bei dem Ausblick auf Kaffee und Kuchen sogar ihr Home-Office im Kino-Foyer auf. Schließlich müssen die Jungsenioren die fixe ältere Konkurrenz fürchten, die um die Ecke wohnt und sich Kino zum Schnäppchen-Preis nicht entgehen lassen will. 200 Meter Luftlinie entfernt residieren einige Dutzend Senioren, die sich dort in einer komfortablen Anlage des Betreuten Wohnens niedergelassen haben. Dort bewegt sich die Altersklasse der Frauen und Männer zwischen 70 und 90. Mit ihrem regelmäßigen Kaffeekränzchen im Seniorenheim sind sie schon lange nicht mehr zufrieden.

"Da gehe ich nicht mehr hin, die sind mir alle zu alt", sagte neulich eine 86-jährige Dame. Und einen 90-Minutenfilm für nur fünf Euro gibt es im Betreuten Wohnen auch nicht. Die Trapp Familie verspricht zudem Herz-Schmerz-Kino der besonderen Art. Nein, es ist nicht der Film von Regisseur Franz Liebeneiner von 1956 mit Hans Holt, Ruth Leuwerik und Josef Meinrad. Es ist eine Neuverfilmung der singenden Großfamilie mit internationaler Starbesetzung, unter anderen mit Yvonne Catterfield und Vanessa Redgrave. Der Sehgenuss wird jedoch dadurch erheblich getrübt sein, dass Kaffee und Kuchen nicht - wie bei Seniorenveranstaltungen üblich und gerne genommen - in den fünf Euro drin sind. Hier könnte das Cineplex gerade auch für chronisch finanzschwache Jungsenioren nachbessern und so noch mehr Verlockung und Vergnügen schaffen.

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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