Mitten in Germering:Glückskekse statt Revolution

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Tourt der Jungsozialist und Bundestagskandidat Winklmeier mit einem ansrangierten Feuerwehrbus durch Germering, ist von den revolutionären Wurzeln seiner Paartei nichts mehr zu spüren. Er verteilt freundlich Wahlgeschenke, wie andere auch

Von CHRISTIAN LAMP

Für die Jugendorganisation der SPD ist es schon ein Kreuz. Da heißen sie "Jungsozialist*innen" und sind damit zumindest dem Namen nach noch dem Sozialismus verpflichtet. Dem hat ihre Mutterpartei aber längst offiziell abgeschworen. Was tun? In Oberbayern ist man geschäftig und nicht auf den Mund gefallen. Das alljährliche Verbandscamp nennen sie optimistisch "Sommer, Sonne, Sozialismus". Auch Workshops zu Marx werden noch angeboten, wird geraunt. 2017 gab es sogar den Programmpunkt "100 Jahre Oktoberrevolution". Eigentlich, das sagen die meisten, sei es schon gut, wenn die Gesellschaft wieder linker würde. Wenn es konkret werden soll, gehen dann aber die Meinungen auseinander. Immerhin hat es ja schon zu einem revolutionären Gendersternchen im Namen gereicht.

Auch der Wahlkampf auf lokaler Ebene wird revolutionär geführt. Bundestagskandidat Winklmeier studiert Ökonomie. Klar, Marx war eigentlich Philosoph. Aber wo der alte Rauschebart tatenlos in Lesesälen saß, ist der junge Winklmeier halt unterwegs bei den Leuten. Zur Agitation? "Walk & Talk" nennt er seine Kampagne und wurde dafür schon von der SPD prämiert. Nun hat auch dieses Blatt schon den armen Winklmeier dafür ein wenig aufs Korn genommen. Und man kann ihm kaum verdenken, dass er statt mit wehenden roten Fahnen und erhobener Faust betont unideologisch, freundlich und zurückhaltend auf Stimmenfang geht. Eigentlich hat er ja zur Unterstützung die Jusos mit ihrem roten Bus. Aufschrift: "Weil allen zusteht, was wenigen gehört." Wie Lenin im verplombten Zug tuckern sie mit diesem alten Feuerwehrauto in Germering von Station zu Station, um die Revolution zu entfachen. Könnte man meinen. Stattdessen aber sieht man dann erstaunt, dass sie "Glückskekse, Seifenblasen und vieles mehr" verschenken.

Herbert Marcuse, der während der Novemberrevolution noch selbst auf den Barrikaden stand, schrieb schon 1965 über die SPD an Theodor W. Adorno: "Sie wagt es, noch den Namen zu führen, den sie einmal hatte, als Karl und Rosa ihr angehörten." Aber der gute Marcuse konnte damals nicht wissen, dass ihr auserkorener Heiland bereits auf dieser Erde wandelte. Liebknecht, Luxemburg - Sankt Martin. Die SPD ist eine neue Partei geworden, mit neuen Heilsbringern. Die Seifenblase wiederum dient in der Kunst oft als Symbol der Vanitas. Wenn das mal kein Omen ist.

© SZ vom 07.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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