Mitten in Germering:Erlebnisort Baustelle

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Wie man aufgerissene Straßen und Plätze zur Eventarena aufwertet

Von Andreas Ostermeier

Jede Stadt braucht mindestens eine große Attraktion. Paris hat den Eiffelturm, London den Tower und München punktet bei den Touristen sogar mit dem Hofbräuhaus und dem Olympia-Zeltdach. Germering ist auch eine Stadt, eine Attraktion hat Germering aber nicht. Oder doch? Besitzen andere weltweit bekannte Städte berühmte Bauwerke, so verfügt Germering momentan nur über ein großes Loch im Boden. Das ist gar nicht despektierlich gemeint, soll aus dem Loch doch ein attraktiver Aufenthaltsort werden, ja der schönste Platz im ganzen Landkreis Fürstenfeldbruck. Bis es so weit sein wird, vergehen allerdings noch einige Monate, und bis dahin klafft dort, wo früher die meistbefahrene Kreuzung des Brucker Landkreises war, eben ein riesiges Loch.

Das Loch aber soll in Germering nicht für das Nichts stehen, wie es ein Loch üblicherweise tut, sondern für ganz viel. Deshalb ist das Germeringer Loch auch nicht einfach nur ein Loch, sondern eine besondere Baustelle - genauer gesagt eine Event-Baustelle. Veranstaltungen sollen Besucher anlocken, Erlebnisse sollen vergessen machen, dass Umleitungen, Pressluftmaschinen und aufgerissene Fahrbahnen vor allem lästig sind. Bei den Geschäftsleuten rund um die Baustelle ist der Erlebnischarakter noch nicht angekommen. Sie sind genauso schlecht gelaunt, wie das auch sonst rund um Baustellen herum der Fall ist. Denn entweder finden die Kunden die Läden gar nicht mehr, oder, wenn sie sie finden, dann tragen sie eine Menge Baustellendreck hinein.

Von der schlechten Laune lässt sich die Germeringer Politik aber nicht verdrießen. Oberbürgermeister Andreas Haas hilft selbst mit, wenn es gilt, bunte Transparente aufzuhängen. Auf denen haben Grundschulkinder mit vielen Farben Motive von James Rizzi oder Alexej von Jawlensky nachempfunden. An dieser Aufzählung sieht man schon: Germering begreift sich als Stadt, auch was die Namen angeht, die hinter der ausgestellten Kunst stehen.

Doch Kunst ist nicht das ganze Leben. Deshalb wird die Baustelle demnächst mithilfe eines Kickerturniers belebt. Bis zu 40 Zwei-Mann-Teams können sich melden, um gleich neben der Baustelle mitzuspielen. Und damit die Laune steigt und Siege gefeiert werden können, haben rund um die Kickertische die Geschäfte geöffnet. Den Trubel bei einem Spiel in der Allianz-Arena wird Germering zwar nicht erreichen, aber Fußball gehört zu einer richtigen Stadt. Und Germering setzt noch eins drauf: Kaum ist Schluss mit Fußball, wird die Baustelle zum Playmobil-Land. Das gibt es zwar schon im fränkischen Zirndorf, der Heimat der Plastikfiguren, aber nicht so, wie es in der größten Kommune des Landkreises geplant ist. Dort sollen Grundschüler nämlich mithilfe von Playmobil-Sets und anderen Materialien ihre eigene Baustelle errichten. All die Plastik-Baustellen werden anschließend in Germeringer Geschäften ausgestellt. Das versöhnt dann Geschäftsleute und Kunden mit den Unannehmlichkeiten am Kleinen Stachus und bereitet sie auf die Zukunft in Germering vor. Denn dort war noch nie so viel los wie jetzt. Was das bedeutet? Die Baustelle muss bleiben. Germering braucht sein Loch, wie Paris den Eiffelturm.

© SZ vom 11.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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