Mitten in Germering:Das Amtsblatt Nummer 5

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Mit der Sprache ist das so eine Sache. Wird sie verknappt, fehlen möglicherweise ganz entscheidende Informationen

Von Christian Hufnagel

Wer intensiv S-Bahn fährt, wird unwillkürlich mit einem Sprachunterricht beglückt. Vor allem, wenn Schulbeginn und -ende die Enge im öffentlichen Personennahverkehr bestimmen, erhält man außerordentliche Lektionen in der sogenannten Jugendsprache. Hörbares Charakteristikum ist ein überschaubarer Wortschatz, Sprachwissenschaftler zählen 30 Worte, mit denen die Anwender auskommen. Inhaltlich auffällig ist zudem der schon manische Gebrauch eines Treugelöbnisses, eingeleitet durch eine kumpelhafte Anrede aus dem Seniorenbereich: "Alder, isch schwör."

Die äußerste verbale Verknappung ist nun auch von der Geschäftswelt übernommen worden. Wer etwa im Geiselbullacher Gewerbegebiet im dortigen Schnellrestaurant oder dem benachbarten Café bestellt, erhält eine syntaktisch wie semantisch hochinteressante Frage: "Zum hier?" Will man der Angestellten nun in ihrer Unkenntnis über den weiteren Ablauf ihrer Tätigkeit helfen und diese zugleich nicht mit Redundanz überfordern, bietet sich wahlweise ein einfaches "Nein!" oder "Zum fort!" als Antwort und damit als Handlungshinweis an.

Mag sich hier also ein neues linguistisches Phänomen ausbreiten, hat sich ein ähnlich reduziertes Sprachfeld unglücklicherweise längst etabliert. Ihr sogenanntes Amtsdeutsch halten Rathausmitarbeiter bemerkenswert lebendig, was Beispiele dieser Tage belegen. Die Bekanntmachungen von Sitzungen etwa scheinen so abgefasst, dass der Bürger hingeht, weil er dort Rätsel lösen kann: etwa das von der "Aufhebung des Sperrvermerks für die VOB-Planstelle" in Fürstenfeldbruck, der "Neufestsetzung der Ortsdurchfahrtsgrenzen" in Emmering oder der "Bauleitplanung: Fl.-Nr. 1223" in Gröbenzell. Und selbst wenn ein Verwaltungsangestellter mit mehr als ein paar Stichworten informieren will, droht ein erbarmungswürdiges Scheitern. So möchte das Büro des Oberbürgermeisters mit einer Pressemitteilung für ein Druckwerk Interesse wecken: "Die Stadt Germering weist darauf hin, dass das Amtsblatt Nr. 5 im Rathaus Germering . . . zu den üblichen Bürozeiten zur Einsichtnahme aufliegt." Zu befürchten ist aber, dass die Öffentlichkeitsarbeiter nicht so viele der 40 000 Einwohner erreichen. Ihnen zum Trost ein aufmunterndes "Is voll krass eh!"

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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