Mitten in Germering:Christbaumsuche im April

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Zwar hat der Frühling gerade begonnen, doch Weihnachten kommt bestimmt: Germering will darauf vorbereitet sein

Kolumne von Christian Hufnagel

Das Jahr bietet einem ja so viel Halt und Orientierung. Die meiste Zeit kann der Mensch auf seinem Lebensweg gar nicht verloren gehen. Im Herbst ist da Allerheiligen, das Gedenken der Verstorbenen mündet passend in einen ganzen Totenmonat. Gleich darauf wird es noch stiller, aber wieder richtig heimelig ums Herz. Die stade Zeit steuert auf den familiären Höhepunkt zu; Weihnachten noch im Gemüt jagen mit den Raketen die Vorsätze und Wünsche in die Höhe. Gleich darauf wird es wochenlang einfach nur lustig und extrem kostümiert. Und kaum hat man sich all die Heiterkeit aus der Verkleidung geschüttelt, markieren Hasen und Eier das alltägliche Sichtfeld, was erst durch ein ritualisiertes Suchen und Finden derselben entgrenzt und aufgehoben wird. Und danach?

Bestimmen Willkürlichkeiten den Alltag. Keine Adventsmärkte, keine Faschingsbälle, keine Osterbrauchtumsveranstaltungen garantieren der Jahresabschnittsphase entsprechende Einstimmung. Allein dieses Wochenende veranschaulicht das Dilemma der Haltlosigkeit: Halbmarathon in Gröbenzell, offene Türen beim Kartoffelkombinat in Oberschweinbach und ein Marktsonntag in Puchheim zeichnen alles, nur kein einheitliches Bild der Geborgenheit, in die man sich betten könnte. Eine lange Durststrecke scheint nun vor einem zu liegen, denn Pfingsten und anschließend die Sommerferien geben nichts her für die Teilhabe an einem gemeinschaftsorientierten und unermüdlich beworbenen und vermarkteten Datum.

Einen Lichtblick bietet die Stadt Germering. Sie lässt uns wissen, dass die städtische Gärtnerei Nadelbäume sucht, die "gerade gewachsen" sind und "rundum Nadeln" haben. Wem also derartige Gewächse in seinem Garten im Weg stehen, der möge sich an den Bauhof wenden, (Telefon 089/89419-430). Dessen Mitarbeiter kommen dann irgendwann mal vorbei, begutachten die Bäume und schneiden sie bei Gefallen um, um sie vor öffentlichen Einrichtungen und Plätzen aufzustellen. Wann? Natürlich in der Vorweihnachtszeit. Denn Anfang April plagt die Stadtverwaltung offenbar eine Notlage, was die Pressemitteilung unmissverständlich im Titel zum Ausdruck bringt: "Christbäume gesucht!" Wenn das nun auf einer höheren Ebene nicht ein heilsames Zeichen der Orientierung ist: Es geht wieder auf Weihnachten zu.

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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