Mitten in Gerlinden:Retter am Papiercontainer

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Wenn einem Wertvolles in den Wertstoff fällt

Von ariane lindenbach

Neulich, morgens in Gernlinden. Schnell noch vor dem nächsten Termin beim kleinen Wertstoffhof anhalten und ein paar Gläser, Flaschen, Dosen entsorgen. Und das Altpapier. Eine Tasche voll mit längst angestaubten, um nicht zu sagen vergilbten Unterlagen. Die Tasche hingegen: Schick und schwarz, wirkt wie Jute, ist aber strapazierfähige Chemiefaser in einem unmerklich größeren Format und mit längeren, breiteren Henkeln. Richtig praktisch! Und das Highlight von dat Janze: In weißen Lettern steht auf beiden Seiten "Conexion Berlin" drauf. Richtig hipp also noch dazu.

Jetzt den ganzen Packen Papier am besten in einem Schwung in den blauen Plastikcontainer kippen. Also Deckel auf, Tasche an den unteren Enden gepackt. - Mist! Schon liegt das ganze Vier-Kilo-Paket, umhüllt von der hippen Berlin-Tasche, auf dem blauen Grund des soeben geleerten Containers. Man flucht also laut vor sich hin und überlegt nebenbei eine Strategie. In das geleerte Plastikding steigen? Das wird nicht so leicht, wie schon allein der vorsichtige Versuch beweist, sich auf die Außenwand zu stützen. Wie erwartet, beginnt der federleichte Container sofort, sich zu neigen. Während die Flüche lauter werden und einem eine Meldung einfällt, derzufolge ein Mann in einem Altpapiercontainer beim Versuch gestorben war, eine Jacke samt Portemonnaie wieder herauszufischen, erscheint - wie gerufen - ein älterer Herr in Sportkleidung auf seinem glänzenden Fahrrad.

Ob einem etwas in den Container gefallen sei und man Hilfe brauche, fragt der mit offenbar hellseherischen Kräften ausgestattete Retter. Zielstrebig geht er auf den Papiercontainer zu. Und jetzt? Räuberleiter? Von einem Fremden? Und man selbst im Minirock? Doch bevor der Gedanke weitergesponnen werden kann, hat der Herr schon eine Ecke des Plastikungetüms ergriffen und leitet einen an, Gleiches auf der anderen Seite zu tun. Das sei ihm auch schon passiert, erklärt er, während man gemeinsam das blaue Ungetüm nach vorne kippt. Der Herr hält die Klappe auf. Ein Griff und schon hält man "Conexion Berlin" wieder glücklich in Händen. Man dankt überschwänglich. Der Herr winkt ab, steigt auf sein glänzendes Fahrrad und fährt von dannen.

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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