Mitten in Geiselbullach:Mittagspause analog

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Zuweilen trifft man noch auf Menschen, die sich unterhalten

Von Erich C. Setzwein

Es gibt diese wunderbaren Schwarz-Weiß-Bilder mit den Arbeitern oben auf einem Wolkenkratzer-Rohbau in Manhattan, die auf dem Stahlträger sitzend einen Mittagssnack genießen. Sie sehen zufrieden aus, wie sie da sitzen und dem Fotografen, der sich ebenfalls in dieser schwindelerregenden Höhe befindet, in die Linse blicken. Klar, wer was im Magen hat, kann glücklich sein. Sicher nicht zu Mittag hatten die höhenangstfreien Burschen von damals so etwas wie Fastfood, das heute auch gerne von Arbeitern konsumiert wird. In ihren Pausen hatten Männer dafür noch Zeit zum Quatschen. Heute nennt man den Austausch von Information - oder auch mal den ein oder anderen Herrenwitz - Kommunikation, und dafür benötigt man immer weniger einen Gesprächspartner. So lange man ein Smartphone oder ein Tablet hat. Dann kann die Welt um einen herum zusammenbrechen: Hauptsache online.

Gut, wenn auch in der Mittagspause irgendwo ein Wlan offen ist, besser noch, wenn es in einem Lokal ist. Im neuen Olchinger Gewerbegebiet zum Beispiel kann jeder Gast das Netzwerk im Fastfood-Lokal nutzen, und in umfangreichen intensiven und systematischen Feldstudien ist es diesem Blatt gelungen, die digitale Mittagspause unter natürlichen Bedingungen zu beobachten. Bauarbeiter, Techniker, Handelsvertreter , die sich über ihr Smartphone-Display krümmen und dabei Chicken Wings und Pommes kalt werden lassen, kommunizieren meist ohne zu reden. Wenn einer spricht, dann in die eingebaute Videolinse seines Apparats, so werden ganze Meetings abgehalten. Ein Blick auf die nun mittags gut gefüllte Terrasse verrät, dass dort noch das Analogzeitalter herrscht. Gestandene Männer, Typ Maurer, beißen in ihre heißen Burger, teilen sich eine wie für die Pause gemachte Boulevardzeitung, beißen wieder zu, trinken was, legen die Seiten hin - und unterhalten sich. Sie sind empfänglich für die Worte des jeweiligen Gegenübers, ohne irgendwie Empfang zu haben.

© SZ vom 13.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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