Mitten in Geiselbullach:Leuchtturm für Visionäre

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Warum der Amperverband für eine profane Kläranlage ausgezeichnet worden ist

Von Erich C. Setzwein

Zur Teestunde werden den Touristen auf den friesischen Inseln gern schaurige Geschichten erzählt. Von Strandräubern, die Laternen schwenkend den Steuermännern der Schiffe in rauer Nordsee vorgaukelten, sie befänden sich in sicheren Gewässern. Und wie dann die Schiffe auf Grund liefen, kenterten und die Inselbewohner, nicht zimperlich, sich über die Schiffsladung und die toten Besatzungsmitglieder hermachten. Die Täuschung funktioniert natürlich heute nicht mehr so, weil alle per GPS geleitet ihr Ziel fast wie von selbst finden. Leuchttürme sind meist nur noch touristische Attraktionen. Aber sie haben für herausragende, wegweisende, öffentliche Vorhaben eine Bedeutung bekommen. "Leuchtturmprojekt" wurde in seiner Entstehungsphase der Berliner Flughafen BER genannt. Heute weiß man, dass man seinerzeit vielleicht die Funktion der Leuchttürme als Warnzeichen besser hätte beachten müssen. Dennoch: Leuchtturmprojekte jeder Art sollen Aufmerksamkeit erzeugen, sollen zeigen, was geht. Wenn etwa der Brucker Umweltpreis vergeben wird, dann soll damit ein Leuchtturmprojekt ausgezeichnet werden. Selbst die Gestaltung eines Erinnerungsortes an das Olympiaattentat wird als kulturhistorisches Leuchtturmprojekt angesehen. Aber eine Kläranlage?

Doch. Sagt zumindest das Umwelt-Cluster Bayern und zeichnet für das Jahr 2020 den Amper-Verband in Geiselbullach mit dem "Leuchtturm" aus. Damit, schreibt der Amperverband stolz in einer Mitteilung, würden Projekte bedacht, die einen "visionären Beitrag im Bereich Wasserwirtschaft entwickeln".

Die Vision war, wenn man die Mitteilung zu Ende liest, die Gebühren der Kunden möglichst stabil zu halten und den Geldbeutel zu schonen. Das ist löblich. Und um das Ziel zu erreichen, wurde eine digitale Strategie zur systematischen Instandsetzung der 61 Abwasserpumpwerke im Verbandsgebiet entwickelt. Das ist einmalig. Sichergestellt werde, dass alles, was saniert werden muss, je nach Dringlichkeit "für jedes Pumpwerk einzeln in einer optimalen Reihenfolge" abläuft. Und weil neben den technischen Finessen auch noch wichtige Umweltaspekte, wie Schutz vor Überschwemmung sowie der Energieverbrauch, beachtet werden mussten, war es offenbar eine aufwendige, aber nachhaltig angelegte Strategie. Weil so geplante Sanierungen schließlich Kosten sparen, ist das, da mag man als Gebührenzahler zustimmen, schon einen Leuchtturm wert. Und schneller als das Leuchtturmprojekt BER ging es allemal.

© SZ vom 03.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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