Mitten in Fürstenfeldbruck:Zweierkiste auf Zuckerrohrabfall

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Die Fürstenfeldbrucker CSU-Fraktion sieht ganz schön blass aus - auf Recyclingpapier

Glosse von Stefan Salger

Ach, die CSU ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Früher trug sie einen wahlweise goldig glänzenden oder himmelhellblauen Löwen und eine satt dunkelblaue Raute im Briefkopf. Und nun? Da schiebt ein kleines hellgraues Miezekätzchen ein ermattetes graues Viereck übers Papier. Moment mal, ist dieses gelblich-bräunliche Dingsda im A-4-Format, das gerade im Brucker Stadtrat verteilt wird, überhaupt Papier? Oder Altpapier? Nichts von alledem! Grünen-Fraktionschef Jan Halbauer klärt seine Stadtratskollegen mit einem erfrischenden Lächeln auf: "Zuckerrohrabfall." Was für die CSU in der guten, alten Zeit völlig undenkbar war: Auf dem Briefkopf dieses zum Recycling-Blatt gepressten Bioabfalls spielt das Emblem der stolzen Brucker CSU, dem die Farbe abhanden gekommen ist, nur die zweite Geige. Links daneben prangt ausgerechnet das Pendant des einstigen, strickenden und Wollpullover tragenden Klassenfeinds. Da ist eine - allerdings ebenfalls sehr blasse - Sonnenblume zu sehen und der Schriftzug "Bündnis 90 - Die Grünen". Die geben in dem gemeinsamen Antrag, der dem Gremium nun vorliegt, zu allem Überfluss auch noch den Ton an: Es geht um Corona-Tests und Raumlüfter in Klassenzimmern. Das sogenannte Tübinger Modell wird der Kreisstadt "als konzeptionelles Ziel" anempfohlen. Ausgerechnet Tübingen mit seinem grünen Lautsprecher Boris Palmer auf dem Bürgermeistersessel. Aber was soll's - die schwarz-grüne Zweckgemeinschaft wird ja auch als Modell für Land und Bund gehandelt. Da muss man schon mal eine Kröte schlucken.

Mit der Harmonie in der Zweierkiste ist es dann aber jäh zu Ende, als sich jemand meldet, den man politisch gesehen fast schon auf der roten Liste verortet: SPD-Fraktionschef Philipp Heimerl lobt den Antrag der schwarz-grünen Konsenskoalition. Ein vergiftetes Lob. Denn das Original stamme von den Genossen. Macht aber nix. Er sei das von seiner früheren Arbeit als Assistent des Eichenauer Abgeordneten Herbert Kränzlein schon gewohnt, erklärt Heimerl mit breitem Grinsen. Auch im Landtag habe die CSU oft einen Antrag von der SPD abgeschrieben, "einen lustigen Titel drüber geschrieben" und ihn dann als eigenes Werk verkauft. Immerhin wurden diese Anträge damals nicht in Schwarz-weiß auf gelbstichiges Zuckerrohrabfallpapier gedruckt.

© SZ vom 30.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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