Mitten in Fürstenfeldbruck :Vom Wert der Grußkarte

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Trotz E-Mails und Messenger-Diensten: Das Handschriftliche überlebt

Kolumne von Christian Hufnagel

Diese Karte würde heute als bebildeter Glückwunsch kurios anmuten. Ein älteres Ehepaar sitzt in einer Laube, umrankt von Weinreben, und prostet freundlich dem Betrachter zu. Auch die jungen Erwachsenen und Kinder zur Seite der beiden sind gut gelaunt und mit den Weingläsern beschäftigt. Die Botschaft des Familienfestes steht auf einer verzierten Decke, die über dem Geländer hängt: "Merry Christmas and a Happy New Year to You." Bei dieser Illustration soll es sich um die erste Weihnachtskarte handeln, kreiert von John Callcott Horsley, in Auftrag gegeben von Sir Henry Cole, verschickt und verkauft in einer Auflage von 1000 Stück im Dezember 1843. Das Motiv würde sicherlich den modernen Menschen irritieren, ist doch nicht klar, was die Minderjährigen aus ihren (Wein-)Gläsern trinken. Aber unstrittig ist der kulturgeschichtliche Wert dieses Erstlings, begründete er doch einen Brauch, der zu Millionen von Postsendungen führte.

Die digitale Zeit scheint dem kein Ende zu setzen. Trotz E-Mails, Instant-Messaging-Diensten, E-Gards, Gifs und sonstigen Animationen aus dem Internet - der Mensch setzt sich offenbar noch immer hin, hält inne für ein paar Gedanken, um diese eigenhändig niederzubringen, steckt die bebilderte Unterlage dann in ein Kuvert, besorgt sich eine Briefmarke und sucht den nächsten Briefkasten auf. Das klingt nach einem ungewöhnlichen Aufwand in einer Epoche, in der die Kommunikation schneller sein kann, als der User überhaupt denken kann: ins Smartphone ohne Punkt und Komma, ohne Groß- und Kleinschreibung eingetippt und gesendet; von überall und jederzeit, in jeder Lebenslage rund um die Uhr.

"Wir wundern uns auch immer", sagt beispielhaft die Filialleiterin eines Brucker Schreibwarengeschäfts, aber der Verkauf von Weihnachtskarten gehe ungebrochen gut. Nach einer Erklärung muss sie nicht lange suchen: "Man freut sich eben immer noch über etwas Handgeschriebenes." Auch Branchenkolleginnen bestätigen diese Annahme. Einen Trend zu teureren Karten macht sogar die Verkäuferin eines anderen Papierladens in der Kreisstadt aus: In den vergangenen Jahren habe sich der Verkauf mit den günstigeren Exponaten stets die Waage gehalten. Und eine Germeringer Geschäftsfrau berichtet gar von fast leeren Ständern: "Das Geschäft mit den Weihnachtskarten läuft bei uns sehr gut." Gleich, ob es welche für 50 Cent oder hochpreisige für vier Euro sind. So gehört das Verschicken von Grußkarten offensichtlich nach wie vor zu Weihnachten wie der Christbaum und die Geschenke. Warum dem so ist, mag das Bekenntnis der Brucker Schreibwarenhändlerin beantworten: "Ich finde es einfach schön, jemanden persönlich zu schreiben."

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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