Mitten in Fürstenfeldbruck:Schock um kurz nach sieben

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Wer es sich am Dienstagabend auf der Couch bequemt gemacht hat, um die neuste Folge von "Stadtrat Fürstenfeldbruck" zu schauen, für den gab es schon nach wenigen Minuten eine böse Überraschung

Kolumne von Stefan Salger

Man kennt das von Shows wie Wetten dass?. Da wird die Sendezeit überzogen. Wann es los geht, ist klar. Nicht aber wann, wo und wie es endet. Man macht es sich also am Dienstag um 19 Uhr mit dem Laptop auf der Couch gemütlich und hat sich eingestellt auf einen knisternden Fernsehabend. Stadtratssitzung in Fürstenfeldbruck. Moderator freilich ist nicht Thomas Gottschalk, sondern Brucks Oberbürgermeister Erich Raff. Beide sind, was die Sendezeit angeht, voll auf Augenhöhe. Dreistündige Shows haben beide im Kreuz - der eine in irgendeiner Messehalle, der andere im Stadtsaal. Gut, in der Messehalle waren letztens beim Wetten-dass-Revival die Einschaltquote und die Zahl der leibhaftigen Zuschauer etwas höher.

Der OB sitzt, perfekt ausgeleuchtet, im braunen Jackett auf der Bühne, absolviert routiniert den Soundcheck mit den zugeschalteten acht Stadträten. Im Galopp geht es durch die Tagesordnung. Beteiligungsbericht. Breitbandausbau. Sanierungssatzung. Alles in den Fachausschüssen vorbehandelt, kaum Redebedarf. Um den Zuschauern was zu bieten, lässt der Regisseur den Freie-Wähler-Stadtrat Markus Droth bei Top sechs (Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung/Rückwirkungsbeschluss) durchs Bild laufen. Ein Highlight der Livesendung sind auch die technischen Probleme des zugeschalteten Dieter Kreis (ÖDP), der kurz vor einer Abstimmung dann aber doch noch vorschriftsgemäß im Bild erscheint.

Um 19.17 Uhr folgt Horror im Der-Weiße-Hai-Format: Nicht mal unter "Verschiedenes" gibt es viel zu bereden. Die öffentliche Sitzung ist zu Ende. Wofür hat man sich Chips und Tee bereitgestellt und ein Kissen hinters Hohlkreuz geschoben? Beim Fußball kann man doch auch nicht nach 17 Minuten einfach abpfeifen! In dieser Notlage muss als Trostpflaster das klassische Fernsehprogramm herhalten. Beim Durchzappen finden sich Sendungen, von denen sich der Stadtrat abendfüllend inspirieren lassen könnte. Im Ersten gibt's an dem Abend Spannung mit der Wapo Bodensee, auf One läuft Sturm der Liebe, auf RTL Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Oder im Dritten: Dahoam is dahoam. Da fühlt man sich auf seiner Couch endlich ernst genommen.

© SZ vom 23.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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