Mitten in Fürstenfeldbruck:Ode an die Blockflöte

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Das Blasinstrument führt leider zu oft ein Schattendasein. Nun muss das Olchinger Kom auch noch einen Workshop absagen

Kolumne von Stefan Salger

Zur Aufstellung der Fußball-Nationalmannschaft hat jeder der gut 80 Millionen Bundestrainer in Deutschland eine Meinung. Mit der gleichen Kompetenz kann ein fast ebenso großer Kreis mitreden, wenn es um "Ein Männlein steht im Walde" oder "Der Kuckuck und der Esel" geht. Natürlich nur, sofern diese Volkslieder auf der Blockflöte gespielt werden. Mit diesem bisweilen unterschätzten und flächendeckend vertretenen Holzblasinstrument in seiner einfachsten Schulausführung hat so manche große Karriere begonnen. Wie jene von Dorothee Oberlinger, einer der bedeutensten deutschen Blockflötistinnen, die am Salzburger Mozarteum lehrt. Für manche Profimusiker war die Flöte der Einstieg in die Welt der Tonleitern, bevor sie mit Geige oder Klavier in Klassik, Pop und Rock reüssierten. Was führte Brian Jones, in den Sechzigern Gitarrist der Rolling Stones, beim Song "Ruby Tuesday" zum Munde? Eine Blockflöte!

Mit Interesse lesen wir nun von einem Workshop für Blockflöte und Laute im Olchinger Kom. In der Ankündigung heißt es vielversprechend: "Die intime Besetzung von Blockflöte und Laute gibt der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts ihren ganz besonderen Klang und macht das Musizieren und Hören zu einem Genuss der kleinen und feinen Momente. Eine Reise durch Raum und Zeit führt uns in die Wohnzimmer und familiären Räume des Barock, so dass die Musik so nah und unmittelbar klingt wie selten."

Leider muss der fürs Wochenende geplante Workshop unter Leitung von Tatiana Flickinger und Helmut Weigl coronabedingt abgesagt werden. Mit dem Ergebnis, dass in besagten Wohnzimmern nun also die hohe Kunst für Fortgeschrittene pausiert und der Nachwuchs unmittelbar den Ton angibt. So wie wir dies taten, als wir noch zum Nachwuchs zählten. In den kleinen und feinen Momenten wird man also in den Genuss von Pfeifen und Quietschen kommen - wenn das hohle Holz mit den Löchern zum Folterinstrument in Kinderhand wird. Insgeheim ertappt man sich bei dem Gedanken, mit Verweis auf die Corona-Hygieneauflagen und die frei fliegenden Aerosole die Flötenübungen der kleinen Profimusiker in spe ebenfalls auf nächstes Jahr zu verschieben. Nein, geht natürlich nicht! Kinder sollen musizieren und nach Herzenslust spielen. Und es ist bekanntlich kein Meister vom Himmel gefallen. Aber man darf sich ja für einen kleinen und feinen Moment mal von einem Übungsblockflötenklassiker inspirieren lassen: "Die Gedanken sind frei".

© SZ vom 19.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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