Mitten in Fürstenfeldbruck:Nur ja keine Routine

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Und da rauscht er vorbei, der Regionalzug, der eigentlich in der Buchenau halten sollte. (Foto: Günther Reger)

Damit ein optimal organisierter Schienenersatzverkehr für die S4 die Pendler nicht aus dem Gleis wirft, hat die Bahn einige unliebsame Überraschungen eingebaut.

Von peter bierl

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und das ist gut so, denn Multitasking ist eine Legende. Wir alle wären komplett überfordert, würden wir nicht viele Dinge im Alltag routiniert und halbbewusst erledigen. Deswegen wirft uns selbst ein optimal organisierter Schienenersatzverkehr aus dem Gleis. Der Zug fährt nicht wie gewohnt verspätet zu einer bestimmten Zeit vom Bahnsteig ab, sondern wir müssen pünktlich in einen Bus steigen. Weil die S 4 jedoch während der Sommerferien zwischen Bruck und Pasing wegen Bauarbeiten fast vollständig ausfällt, könnte sich eine neue Routine herausbilden.

Das bietet je nach dem Standpunkt Chancen und Risiken. Die Pendler haben genug Zeit, den Ersatzfahrplan zu verinnerlichen und in ihr Gewohnheitsrepertoire aufzunehmen. Sie lernen entschleunigtes Fortkommen mit hoher Taktdichte in halbleeren Fahrzeugen schätzen, statt wie bisher wie Sardinen in Zügen zu stehen. Wer es eilig hat, freut sich, dass Regionalbahnen den ganzen Tag über in Buchenau halten und damit jenen Express-Service nach München bieten, den Experten im Verkehrsministerium ablehnen. Der Staatsregierung und der Bahn AG könnte daraus eine gefährliche Anspruchshaltung erwachsen.

Die Bahn hat vorgesorgt und ein paar unliebsame Überraschungen eingebaut, um einer Konditionierung entgegenzuwirken. So erleben die Pendler, die sich im Brucker Westen einfinden, immer wieder - etwa am Donnerstag -, dass ein Regionalzug angesagt wird, alle in freudige Erwartung verfallen und das Gefährt dann in hohem Tempo vorbeirast. Man könnte unterstellen, dass sich manche Lokführer noch nicht an den ungewohnten Halt gewöhnt haben, aber es steckt volle Absicht dahinter. Einer legte eine Vollbremsung hin, dass die Bremsen quietschten, rangierte zurück und ließ die ebenso überraschten wie hocherfreuten Passagiere einsteigen. Vermutlich ist es Lokführern sonst streng verboten, den Rückwärtsgang einzulegen. Wurde diese Vorschrift für die Buchenau während der Zeit des Schienenersatzverkehrs aufgehoben? Das alles gehört zum geheimen Masterplan, keine Routine aufkommen zu lassen.

© SZ vom 25.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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