Mitten in Fürstenfeldbruck:Lückentext im Stadtrat

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Die Politiker kämpfen mit den Tücken der Technik - weil sie nicht online tagen dürfen

Glosse Von Stefan Salger

Der Fürstenfeldbrucker Stadtrat kann sich jüngst nicht mehrheitlich auf niedrige Hürden für Hybridsitzungen einigen. Zum Beispiel aus dem eigenen Wohnzimmer oder vom Babysitten können sich die Mitglieder des Gremiums also nicht einfach nach Gusto zuschalten, sie müssen weiterhin persönlich kommen. Außer in Zeiten einer Katastrophe vom Format einer Pandemie oder eines Erdbebens. Ein Beschluss, der sogleich seine Schattenseiten offenbaren wird. Liveübertragungen aus dem Stadtrat nämlich sind längst beschlossen worden. Am Donnerstag wird das zweite Mal in die Wohnzimmer der Brucker Bürgerinnen und Bürger gesendet. Da offenbart sich eine überraschende Form der Diskriminierung: Im Vergleich zu den Politikern haben die Zuschauer aus der Ferne kurioserweise einen Informationsvorsprung. Denn immer wieder fällt im Stadtsaal der Ton aus, weil die Mikrofonanlage Zicken macht. Der Genuss im Cyberspace hingegen ist ungetrübt. Denn das Technik-Team, das von der Stadt für die Liveübertragung engagiert worden ist, nutzt zwei eigenen Mikrofone, die tadellos funktionieren - eines steht vor dem Oberbürgermeister, das andere am Pult, an das Stadträte treten, wenn sie ein Statement abgeben. Die Stadträte im Saal aber hören aus den Lautsprechern einen Lückentext. Denn die drahtlosen "normalen" Mikros, die an sie gekoppelt sind, quittieren aus unerfindlichen Gründen alle paar Augenblicke ihren Dienst. Es knackt, dann hört man die Redner nur noch ohne Verstärkung. In den hinteren Reihen und im Bereich, der für leibhaftige Besucher reserviert ist, also kaum noch.

Da ist wirklich der Wurm drin, mag sich die Stadtverwaltung auch seit Monaten noch so intensiv bemühen, den Fehler zu finden. Eine echte kommunalpolitische Katastrophe vom Format eines Erdbebens. Wie bitte? Katastrophe? Da wäre doch die Bedingung für eine Hybridsitzung erfüllt und die Stadträte könnten sich mit Fug und Recht von zu Hause zuschalten. Dieses Mal haben sie sich durch die unbedachte mehrheitliche Abstimmung um zwei Stunden und neun Minuten ungetrübten Hörgenuss gebracht.

© SZ vom 29.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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