Mitten in Fürstenfeldbruck:Flüchtling auf zwei Rädern

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Ein Obike hat SZ-Leser Herbert Schütz in Fürstenfeldbruck entdeckt. (Foto: Herbert Schütz/oh)

Oh, ein Obike in der Großen Kreisstadt

Kolumne von Christian Hufnagel

Wenn in China ein Fahrrad umfällt, interessiert das in Fürstenfeldbruck niemanden. Auch geografische Nähe würde an der Bedeutungslosigkeit dieses Vorgangs nichts ändern. Selbst wenn sich dieser in Olching zuträgt oder sogar in der Kreisstadt selbst, wird sein Nachrichtenwert genauso minimal sein wie die Emissionen, die beispielhaft ein aluleichtes Mountainbike oder BMX verursachen, wenn sie das Gleichgewicht verlieren und zu Boden fallen. Andererseits kann es offenbar Aufsehen erregen, wenn an einem Straßenwegweiser in der Kreisstadt plötzlich ein ortsfremdes Fahrrad nicht einmal liegt und damit umgefallen ist, sondern selbstbewusst aufrecht steht.

So ein verwaistes Fortbewegungsmittel mag dann fürsorgliche Gefühle wecken, schließlich ist Fürstenfeldbruck Mitglied der "Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen in Bayern". Man hat sich als eines von bisher 60 Mitgliedern einiges auf die Reifen geschrieben: nämlich diese Form der Mobilitätskultur zu fördern, die entsprechenden Wege auszubauen und den Teilnehmern mehr Schutz auf den bösen Autostraßen zu gewähren. In all dem drückt sich somit laut Selbstbeschreibung "ein klares Bekenntnis zum Radverkehr aus", was allerdings in der Kreisstadt gewissermaßen durch ein paar Unebenheiten noch getrübt ist. Allein mit den Markierungen hapere es, moniert etwa das Verkehrsforum FFB, sie seien mangelhaft oder würden gar ganz fehlen. Der Radler ist in Bruck also noch längst nicht in der schönen neuen (unmotorisierten-) Welt angekommen. Davon zeugt auch der Stand eines Zukunftsprojektes, das sich noch immer im Leerlauf befindet. Ein Leihsystem mit (Fund-)Rädern hat der Stadtrat zwar schon vor drei Jahren beschlossen, geschehen ist bis heute indes nichts.

Nun könnte die Entdeckung von SZ-Leser Herbert Schütz an der Landsberger Straße zur Annahme verleiten, ein erstes Exemplar zum Leihen sei erworben und platziert worden. Allerdings mag die Befürchtung, die der Fürstenfeldbrucker seinem Bilddokument beigefügt hat, diese Hoffnung schnell zerstören: Auf der Flucht aus der Landeshauptstadt werde dem einsamen Gefährt wohl auch hier die Abschiebung drohen. Wenn nicht gleich der Schrottplatz, möchte man hinzufügen. Denn tatsächlich ist in der Kreisstadt eines jener rund 7000 gelben Obikes aufgetaucht, mit denen der asiatische Leihradanbieter München überschwemmt hat und die seit dessen Insolvenz dort das Stadtbild in Massen verschandeln. Andererseits könnte der Ausreißer auch als Vorbote dienen, dass Fürstenfeldbruck weitere vertriebene Zweiräder aufnimmt und damit selbst ein Leihsystem aufzieht. Genug davon gebe es ja.

© SZ vom 25.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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