Mitten in Fürstenfeldbruck:Feldherr mit Muckis

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Viscardi-Direktor Walter Zellmeier würde sich gut machen in Öl auf Leinwand

Kolumne von Stefan Salger

Die heutige Jugend sieht sich mit manchem Vorurteil konfrontiert: alles kurzsichtige Luschen, die am Bildschirm kleben und darauf warten, dass Handy-Daddeln als Disziplin bei den Bundesjugendspielen anerkannt wird. Neue Männer und Frauen braucht das Land. Ach was, eigentlich gibt es die gestählten Recken, die Supermänner und Superfrauen doch längst. Die sind in einer Zeit sozialisiert worden, als raumfüllende Computer und schnurlose Telefone gemeinsam mit Superlaserwaffen in besonders visionären Science-Fiction-Comics auftauchten.

Ungläubig betrachten wir das Beweisfoto, das uns auf den (virtuellen) Schreibtisch geflattert ist. Es zeigt eine Turnhalle voller Menschen, die versuchen, für einen guten Zweck möglichst viele Liegestütze zu machen. Und doch wirkt es eher wie François Gérards Ölgemälde von 1810, das die Dreikaiserschlacht bei Austerlitz/Südmähren verklärt: Napoleon I. ist obenauf, besiegt die Truppen des russischen Kaisers Alexander I. und des österreichischen Kaisers Franz II.

Auch in der Halle des Viscardi-Gymnasiums sind viele Menschen, in der Blüte ihres Lebens, offenbar darniedergesunken. Kauern am Boden, mit leerem Blick und brennendem Bizeps. Dürften Schwierigkeiten haben, erneut ihren Stuhl im Klassenzimmer zu erklimmen. Einer aber, das ist zu erahnen, macht Liegestütz um Liegestütz. Pumpt unermüdlich mit zähen Oberarmen Geld in die Spendenkasse zugunsten des Kinderhilfswerks Unicef. Einen Cent gibt's pro Liegestütz. Macht in diesem Fall: 63 Cent! Schulrekord! Wer ist dieser Held? Superman kann's nicht sein. Der trägt keine grau-weiß-gewürfelten Holzfällerhemden. Ein Sportlehrer auch nicht. Die tragen keine roten Krawatten. Da fällt einem siedendheiß ein, was mal ein Schulabgänger bei einer Viscardi-Abi-Feier ausgeplaudert hat: Der Direktor Walter Zellmeier sei "echt ein cooler Typ". Mit dem habe er oft in der schuleigenen Muckibude trainiert. Jetzt fällt der Groschen! Schade, dass vermutlich auch die Oberstufler mit Kunst Additum längst darniedergesunken sind und keinen Pinsel mehr halten können. Die Nachwelt hätte es ihnen gedankt: Schlachtengemälde mit Feldherr. Walter I. obenauf. In Öl.

© SZ vom 31.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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