Mitten in Fürstenfeldbruck:Beschämende Vergesslichkeit

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Warum der 9. November nicht ohne Gedenkveranstaltung sein sollte

Von Florian J. Haamann

Kein Tag ist für die Deutsche Geschichte, zumindest die des 20. Jahrhunderts, so bedeutsam wie der 9. November. Vor allem, weil kein anderer Gedenktag so ambivalent besetzt ist - als Datum der Freiheit, mit dem Fall der Mauer 1989 und der Ausrufung der Republik durch Scheidemann und Liebknecht 1918, genauso wie als Datum der Schande, durch die Reichspogromnacht 1938 und den Hitlerputsch 1923. Der 9. November, das kann man ohne Übertreibung sagen, ist der Schicksalstag der Deutschen. Auch der Landkreis hätte allen Anlass, sich an diesem Tag wenn schon nicht der deutschen, zumindest der eigenen Geschichte bewusst zu werden. Immerhin wurden hier in der Pogromnacht nachweislich mindestens drei Männer verhaftet: Berthold Lehmann, Simon Erlanger und Alfred Rosenberger. Und dieses Unrecht geschah, während in vielen Kommunen, unter anderem Maisach, Puchheim und Germering, in Erinnerung an den Hitlerputsch gefeiert wurde.

Wirft man nun einen Blick in den Veranstaltungskalender für den 9. November 2016, findet man, bis auf eine Ausnahme, nichts, was mit diesem Datum in Verbindung steht. Das Landratsamt lädt lieber zum Wirtschaftsempfang, in Puchheim gibt es eine Bürgerversammlung, die ÖDP stellt ihren Bundestagskandidaten auf. Nur der Förderverein des Germeringer Museum erinnert mit einer interessanten Veranstaltung an Herbert und Ursel Bräuning, die Opfer der DDR-Willkür waren. Ansonsten nichts: Keine SPD-oder Linken-Veranstaltung zur Erinnerung an die Ausrufung der Republik, kein kommunales Gedenken an Opfer, keine Kulturveranstaltung, die sich mit den historischen Ereignissen beschäftigt. In ihrer Gesamtheit ist diese Geschichtsvergessenheit beschämend. Es gibt wenig Anlässe, zu denen es so einfach und gleichzeitig so geboten wäre, auf den Wert und die Wichtigkeit unserer liberalen Errungenschaften aufmerksam zu machen. Gerade in einer Zeit, in der rechte Kräfte täglich lauter werden, Demokratie und Freiheit dagegen immer fragiler.

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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