Mitten in Fürstenfelbruck:Weiße Fahnen zum Gedenken

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Bürger und Kommunen erinnern an das Kriegsende vor 75 Jahren

Kolumne von Peter Bierl

Drei große weiße Laken hängen an dem Haus in der Marthabräustraße in Fürstenfeldbruck. So ähnlich muss es vor 75 Jahren an vielen Stellen ausgesehen haben. In Erinnerung an das Kriegsende und die Befreiung vom Faschismus hatte der Brucker Künstler Guido Zingerl Bürger und Kommunen aufgerufen, zwischen 29. April und 8. Mai weiße Tücher und Fahnen aufzuhängen. Das Bündnis "Fürstenfeldbruck ist bunt - nicht braun" sowie die Bürgermeister von Bruck und Olching schlossen sich seinem Appell an. Vor der evangelisch-lutherischen Gnadenkirche in Bruck hängt eine weiße Fahne am Mast. Für Freitagabend lud Pfarrerin Ursula Leitz-Zeilinger zur Andacht ein. In der Marthabräustraße hängten Eugen Helf und seine Nachbarn die weißen Laken auf. Der Althegnenberger Altbürgermeister Reiner Dunkel (SPD) zog in seinem Vorgarten in Hörbach eine weiße Fahne auf.

Was die weißen Tücher und Fahnen heute von denen damals unterscheidet sind die Aufschriften. Dunkel erinnert auf einer Schautafel an des Versprechen: "Nie wieder!" Nie wieder möge es Krieg, KZ, Holocaust, Euthanasie, Terror, Zwangsarbeit, Flucht und Vertreibung geben. Helf bezieht die Aktion auf die Gegenwart, auf den Zulauf zu neofaschistische Gruppen und Parteien. Er wolle vor einem neuen "Fliegenschiss" warnen, sagt er der SZ in Bezug auf die Äußerung eines rechten Politikers. Zingerl und Ingrid Scholz hängten am Freitag drei weiße Fahnen in der Maisacher Straße auf, zwei am Gartentor und eines aus einem Fenster im ersten Stock, mit der Aufschrift "8. Mai - Befreiung vom Faschismus". Sie berichteten von einer großen Resonanz auf ihren Aufruf. Etliche Leute hätten sich gemeldet, viele Fotos per E-Mail geschickt.

Am 29. April 1945 rückten amerikanische Truppen in den Landkreis vor, an einigen Stellen eröffneten deutsche Einheiten das Feuer, es gab Tote und Verletzte. Widerstand aus der Bevölkerung gegen das faschistische Regime gab es bis zuletzt nicht. In einigen Orten versuchten Einwohner, Kämpfe und Zerstörungen zu verhindern. Sie signalisierten mit weißen Tücher eine kampflose Übergabe.

© SZ vom 09.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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