Mitten in Eichenau:Politik von daheim aus

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Gemeinderatssitzungen werden nun auch per Videoschalte übertragen

Interview von Erich C. Setzwein

Als die Inzidenz noch nicht in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen war, als von Präsenz- und von Distanzunterricht noch nicht die Rede war, als die Welt überhaupt etwas übersichtlicher war und Markus Söder nicht jede Woche neben der Kanzlerin saß und weitere Freiheitsbeschränkungen verkündete, da sprach auch noch niemand von Hybridsitzung. Hybride - bloß nicht verwechseln mit der ähnlich klingenden Inselkette im Nordatlantik! - kannten bis dahin höchstens die Gärtner und Landwirte, wenn sie Samen für ihre Felder einkauften. Und vielleicht ein paar Elektronikfreaks. Dass sich aber die halbe Welt in die Hallen und Büros setzt und die andere Hälfte vor den Bildschirm daheim, um Konzerne zu führen, Zeitungen zu produzieren oder Politik in der Krise zu gestalten, das mochte sich niemand wirklich vorstellen. Nun aber ist es nicht mehr zu leugnende Realität, und die Hybridsitzungen werden bleiben wie das Home-Office, und die neue Frage wird lauten: Geht auch alles mit rechten Dingen zu?

In Eichenau versucht der Gemeinderat seit Neuestem, sich sowohl in der zum Sitzungssaal umfunktionierten Friesenhalle und daheim auf den Sofas zusammenzuschalten. Sozusagen das Beste aus zwei Welten zu vereinigen. Das bedarf, wie die ersten Erfahrungen zeigen, noch der Übung, aber es dürfte ja auch noch einige Zeit dauern, bis man wieder in kleineren Räumen ohne Masken und ohne Ansteckungsgefahr zusammensitzen darf. Derweil schauen Gemeinderäte verschiedener Fraktionen zu, weil eine Kamera in der Halle wie von Geisterhand gesteuert stets auf den gerade Sprechenden zoomt, und sind auch selbst auf der großen Leinwand zu sehen. Mitdiskutiert wird auch, aber Zwischenrufe - das wissen geübte Teams- und Zoom-Nutzer - sind verpönt. Das Ganze macht einen gehemmten Eindruck, das Spontane fehlt sowohl denen im Saale als auch jenen daheim. Oder von wo auch immer sie sich zugeschaltet haben. Eine Live-Übertragung für interessierte Bürgerinnen und Bürger aber gibt es nicht und soll es nach Meinung von Bürgermeister Peter Münster auch nicht geben. "Sonst sitzen wir am Ende hier ganz alleine", sagt der Rathauschef, der bei einer Abstimmung seine Mühe mit dem richtigen Zählen der Stimmen zu erkennen gibt. Was für Zeiten, in denen Corona in aller Munde, nur nicht flüssig, ist.

© SZ vom 21.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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