Mitten im Landkreis:Gestählte Türkenfelder

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Das Prinzip Survival of the Fittest kommt beim Bahnstreik zumindest im Landkreis Fürstenfeldbruck nicht komplett unter die Räder

Von Stefan Salger

Die Fahrgäste der S 4 sind außerordentlich stark, schön und durchsetzungsfähig. Die Türkenfelder freilich sind noch schöner, stärker und durchsetzungsfähiger als die Fürstenfeldbrucker und die Puchheimer. Zu verdanken haben sie das der Kooperation von Deutscher Bahn und Evolution. Am Beispiel von Tieren und Insekten lässt sich erkennen, wie die Herausforderung des Alltags das Erscheinungsbild von Lebewesen und ihre Fähigkeiten über die Generationen verändert. Da entwickeln kleine Frösche ein Gift, das sie für Fressfeinde ungenießbar macht. Oder Chamäleons tarnen sich, indem sie sich farblich ihrer Umgebung anpassen. Oder der männliche Pfau lernt, dass der Herzensdame ein prächtiges Rad mehr imponiert als ein mausgraues Federkleid. Seine Gene vererbt das Männchen, das am besten für die Herausforderungen des Alltags gerüstet ist oder eben am besten bei den Damen ankommt. Nur der Mensch hat das Darwin'sche Prinzip ausgehebelt. Mit dicken Brillen und Rettungsringen um die Hüften hält er Eigenschaften gestählter Jäger und Sammler im Büroalltag für obsolet.

Gottlob kommt das Prinzip Survival of the Fittest zumindest im Landkreis Fürstenfeldbruck nicht komplett unter die Räder: Der Deutschen Bahn ist es ein Herzensanliegen, gestählte und abgehärtete Menschen nach besten Kräften zu fördern. Weil starke Erdbeben, Vulkanausbrüche, Meteoriteneinschläge und der Tyrannosaurus Rex als natürliche Hilfsmittel nicht zur Verfügung stehen oder sich noch weniger an die Fahrpläne halten wollen als die auf Streik gebürsteten GDL-Lokführer, bedient sich die Bahn subtilerer Mittel - mit einem Schreckenspotenzial, das dem der Dinosaurier ebenbürtig ist: der Infrastruktur aus Zügen und Schienen. Richtung Endstation Geltendorf baut sie immer höhere Hürden der natürlichen Selektion auf. So werden die Gleise in Bruck und Grafrath erneuert, zwischen Buchenau und Geltendorf verkehren Busse, Gleis 2 in Grafrath wird schon mal ganz dicht gemacht, Züge verkehren nur noch im 40- oder streikbedingt gar im 60-Minuten-Takt, oder auf den S-Bahngleisen fährt plötzlich ein Güterzug.

Kein normaler Mensch blickt da noch durch und kommt ans Ziel. Kein normaler. Aber die besten, die schaffen es! Wem es auch in den nächsten Wochen gelingt, bis in den tiefsten und wildesten Westen des Landkreises vorzudringen, der muss mit allen Wassern gewaschen sein. Dieser Mensch zählt zur Elite, Brille oder Rettungsreifen hin oder her. Vielleicht hilft nun auch bei den Damen ein dezenter Hinweis auf Charles Darwin.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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