Messe:Endlich eigener Chef sein

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Kreative Ideen alleine reichen nicht, um am Markt erfolgreich zu sein und durchzustarten: Auf einer Fachmesse im Landratsamt verschaffen sich angehende Unternehmensgründer einen Überblick über Chancen und Risiken

Von Julius Nindl, Fürstenfeldbruck

Die modische Stilrichtung passt zum lockeren Auftreten der beiden Jungunternehmer: Andreas Mall, 24, und Felix Brach, 23, tragen T-Shirts und eine Cap aus der hauseigenen Merchandise-Abteilung. Auf dem Existenzgründertag im Landratsamt stellen die Mitbegründer der Almighty Boards GbR ihr Unternehmen vor und erläutern ihre Geschäftsidee. Damit haben sie sich bei der Jungunternehmer-Messe im vergangenen Jahr den ersten Preis gesichert. Die beiden haben bereits zwei Jahre Erfahrung als Unternehmer gesammelt. Sie haben ein Slackline-Sportgerät entwickelt. Das ist eine Art Skateboard ohne Räder, mit dem man auf einem zwischen Bäumen gespannten Band balancieren kann.

Neben den beiden Egenhofenern stehen zahlreiche Experten und weitere Neugründer an verschiedenen Informationsständen Rede und Antwort zu allen Belangen rund um das Thema Unternehmensgründung. Es gibt Tipps zu öffentlichen Finanzierungsmitteln, Businessplanning, rechtlicher Absicherung und einfachen Gründungsformalitäten. Außerdem besteht die Gelegenheit, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und Netzwerke zu knüpfen. Am Samstag kommen etwa 160 Besucher.

Obwohl der Schritt in die Selbständigkeit freiere Entfaltungsmöglichkeiten verspricht, so birgt er doch auch Risiken. Der landesweite Gründerboom des Jahres 2010 ist abgeflaut. Die Zahl der Neugründungen ist um 3,6 Prozent zurückgegangen. Im Landkreis Fürstenfeldbruck ist der Trend nicht ganz so deutlich: hier sank die Zahl lediglich um 1,9 Prozent. 1702 Gründungen wurden 2015 verzeichnet.

Es gibt viele offenen Stellen und wenig Entlassungen. Vor allem darauf führt Michael Steinbauer, der Vorsitzende des Fürstenfeldbrucker Gremiums der Industrie- und Handelskammer (IHK), den gesunkenen Anreiz zur Gründung eines Unternehmens zurück.

Gemeinsam mit der Handwerkskammer und der Wirtschaftsförderung des Landkreises ermutigt die IHK dennoch zum Schritt in die Selbständigkeit. Ein wichtiger Meilenstein kann dabei die bereits zwölfte Auflage der Gründermesse "Existenz 2016" sein. Hier ist zu sehen, wie man sein eigener Chef werden kann.

So erläutert Franz-Rudolf Borsch im Jungunternehmerforum Wege zur Suchmaschinenoptimierung. In Zeiten der allgegenwärtigen Digitalisierung spielt auch die Positionierung der eigenen Webpräsenz eine große Rolle. "Wie kann ich meine Webseite bei den Google-Suchergebnissen ganz nach vorne hieven?", lautet eine der Fragen - gerade für Unternehmensgründer. Passend dazu referiert die Kommunikationsdesignerin Cornelia Hauser über die visuellen Gestaltungsmöglichkeiten einer eigenen Marke. Corporate Identity ist nur der Überbegriff für eine Palette an Möglichkeiten, um sich am Markt durchzusetzen. Viele Besucher, die den Schritt in die Selbständigkeit bereits gewagt haben, informieren sich zudem im Vieraugengespräch bei Wirtschaftsvertretern.

Wer gut gerüstet ist, sollte den Schritt auch einmal wagen: Harald Hof, Berater der IHK. (Foto: Johannes Simon)

"Sie sehen aber müde aus" - wer diesen Satz schon einmal im Berufsalltag gehört hat, kann sich vielleicht über den besorgten Arbeitskollegen freuen. Fällt dieser Satz aber in einem Verhandlungsgespräch, kann eine ganz andere Bedeutung dahinter stecken. Marcus Hohner, Mediator für Verhandlungsstrategien, klärt über das bewusste Manipulieren durch Verunsicherung des Gegenübers auf und erläutert verschiedene Techniken, um sich im Vieraugengespräch zu behaupten - das ist seine Geschäftsidee.

Andreas Mall und Felix Brach von Almighty Boards, konnten ihr Ziel nicht zuletzt durch die tatkräftige beratende Unterstützung aus der freien Wirtschaft erreichen. Netzwerke dienen dabei nicht nur der Informationsbeschaffung. Im Fall der beiden Unternehmer Brach und Mall hatte die gute Vernetzung einen wesentlichen Anteil am Erfolg ihres Produkts: Vorzugspreise bei Zwischenhändlern, Rechtsbeistand durch Personen aus dem Bekanntenkreis oder die Bereitstellung von Kapazitäten für die Produktentwicklung spiegelten sich auch in der Jahresbilanz des Unternehmens wider. Erstmals seit der Gründung ihrer Firma konnte in diesem Quartal die Gewinnschwelle überschritten werden.

"Auch wenn man sich nicht für eine Unternehmensgründung entscheidet, kann die Messe trotzdem gewinnbringend sein", resümiert Harald Hof, Unternehmensberater bei der IHK. Wer sich entschließt, seine eigene Geschäftsidee zu verwirklichen, dem rät Hof: "Nicht immer nur abwarten". Der Weg ist lang und steinig. Wer es aber geschafft hat, der darf auf Anerkennung und finanzielle Unabhängigkeit hoffen - und könnte auf einer der nächsten Gründermessen selbst ans Rednerpult treten.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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