Mein Tag:Erfolgreicher Ungehorsam

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Altbürgermeister Landgraf erhält Bundesverdienstkreuz

Von Erich C. Setzwein

Selbst im Rohbau der neuen Maisacher Dreifachturnhalle ist die Sommerhitze zu spüren, doch alle Männer inklusive der Bauarbeiter tragen beim Richtfest lange Hosen. Gehört sich irgendwie so. Nur einer fällt aus der Reihe, weil er sich quasi Marscherleichterung verschafft hat. Gerhard Landgraf , inzwischen 79 Jahre alt, hat eine luftige Dreiviertelhose an. "Der Landrat hat's mir erlaubt", sagt er im Brustton der Überzeugung. Ob Landrat Thomas Karmasin das wirklich genehmigt hat? Scherz!

Landgraf, 36 Jahre Bürgermeister von Maisach und seit 2008 Altbürgermeister, ist seit jeher unkonventionell, er kommt, wenn er eingeladen wird und teilt gerne seine Anekdoten mit anderen Gästen. Ein gemütlicher Franke, der auch nach 55 Jahren in Oberbayern seinen Dialekt nicht abgelegt hat und dessen robuste Art als Rathauschef legendär ist. Dass er nebenbei auch noch einiges in Ehrenämtern geleistet hat und sich immer noch engagiert, bringt ihm jetzt das Bundesverdienstkreuz am Bande ein. Am Montag wird es Landgraf verliehen.

1963 kam er vom Landratsamt in Bamberg in die Maisacher Gemeindeverwaltung. Er kennt also seine neue Heimat und die Leute. Als 1991 die CSU Johann Pitschmann als ihren Bürgermeisterkandidaten gegen den amtierenden SPD-Bürgermeister Landgraf aufstellte, da war davon die Rede, dass sich kein Betrieb einen Manager leiste, der 24 Jahre lang im Amt bleibe. Den Wechsel an der Spitze der Gemeinde hat die CSU dann auch nicht hinbekommen, und im Nachhinein ist fraglich, ob sich ein CSU-Mann damals beim Thema Zivilflieger auf dem Fliegerhorst so quergestellt hätte, wie Landgraf es tat. Zusammen mit einer nervigen Bürgerinitiative schaffte es der wortmächtige Landgraf auf juristisch und politisch dünnem Eis, der Fliegerlobby zu widerstehen. Weil er das Einfahrtstor, das die Flieger unbedingt benötigten, nicht freigab.

Den Ungehorsam, den Landgraf an den Tag legte, die Bockigkeit, mit der er seine Bürger vor Tausenden Starts und Landungen schützte, wird ihm heute noch hoch angerechnet. Mehr als drei Jahrzehnte führte er die Großgemeinde und schuf für viele Gewerbebetriebe Ansiedlungsmöglichkeiten und für Einheimische wie Neubürger Baugebiete. Dass er dabei das Soziale nicht vergaß, dass er sich um die Leute kümmerte - ob in Maisach und seinen Ortsteilen oder im afrikanischen Togo - das liegt dem immer noch am liebsten hemdsärmeligen Landgraf im Blut.

Er war einer der Gründer der Maisacher Arbeiterwohlfahrt, auf ihn gehen die Musikschule und die Gründung der Blaskapelle (zusammen mit Gerhard Turini) zurück, und er unterstützt auch heute noch das Hilfsprojekt PiT - Togohilfe. Als er dann nicht mehr Bürgermeister war, aber dennoch öffentlich tätig sein wollte, übernahm er ein Schöffenamt am Landgericht München II.

Bayerns Kultusminister Michael Piazolo wird Landgraf das Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verleihen. Ein Parteifreund Landgrafs, könnte man sagen, denn seit 2008 ist der Maisacher bei den Freien Wählern. Der Ärger um seine Nominierung auf der Gemeinderatsliste der SPD hatte ihn aus der Partei getrieben, der er mehr als 40 Jahre angehörte. Nach 43 Jahren in der Kommunalpolitik zog sich Landgraf 2015 aus seinen Ämtern als Gemeinderat und Kreisrat zurück. Präsent ist er in Maisach aber noch jeden Tag.

© SZ vom 27.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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