Mehrweg:Abschied von der Bequemlichkeit

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Fürstenfeldbruck möchte Cafés, Bäckereien und Konditoreien davon überzeugen, keine Einwegbecher für Kaffee, Tee oder heiße Schokolade zu verwenden. Die Idee dazu stammt von Gymnasiasten

Von Lisa Severin, Fürstenfeldbruck

Es ist ein morgendliches Ritual: Auf dem Weg zum Job wird noch schell ein Pappbecher voll frisch aufgebrühtem Kaffee gekauft. Plastikdeckel drauf - und los. Dafür wird das Heißgetränk als "to go" bezeichnet. Ob Kaffee, Kakao oder Tee - mitgenommen werden kann heutzutage alles. Seit der Jahrtausendwende hat sich die Menge aller Unterwegs-Getränkebecher für Heiß-, aber auch Kaltgetränke verdreifacht. Die Schüler des Viscardi-Gymnasiums und die Stadt Fürstenfeldbruck haben sich daher gemeinsam ein paar grundlegende Gedanken gemacht, wie man das Abfallprodukt des Einmal-Bechers verringern könnte. Am Dienstag will die Stadt zusammen mit Cafés, Bäckereien und Konditoreien ein Konzept vorstellen, wie auf Pappbecher verzichtet werden kann.

Neben dem Vorschlag, eigens mitgebrachte Behälter einzufüllen, gibt es viele Möglichkeiten, Müll zu sparen: nachfüllen statt neukaufen, Einkaufsbeutel statt Plastiktüte, eine Familienpackung anstelle von vielen kleinen Packungen, eine Einkaufsliste statt wahlloses Suchen im Supermarkt. Die Liste wäre beliebig verlängerbar. Doch der erste Schritt in Richtung eines Lebens mit weniger Müll ist mit dem Treffen am Dienstag auf jeden Fall geleistet.

"Gerade durch das Verwenden von Coffee-to-go-Bechern entstehen jährlich 100 000 Tonnen CO₂-Emissionen - das soll nicht so bleiben," sagt Andreas Habersetzer. Er ist in der Verwaltung für die Veranstaltungen zuständig und Ansprechpartner für die Veranstaltung am Dienstag. Der Plan ist, die Einwegbecher nach und nach ganz aus dem Verkehr zu ziehen und auf ein langlebiges Konzept mit den vorgesehenen Mehrwegbechern zu setzen. Denn nach ganzen 15 Minuten landet der Einwegbecher im Müll. Die Zahlen sprechen für sich, der Verbrauch an To-go-Bechern ist größer als der von Plastik-Einkaufstüten.

Für die Vorstellung des Projektes wurden verschiedene Cafés und Betriebe aus der Region eingeladen. "Eigentlich alle, die in irgendeiner Art Heißgetränke verkaufen, wurden benachrichtigt," erklärt er. "Die Idee, Plastikbecher zu vernichten und mit seinem eigenen Becher in einen Laden zu kommen, in dem man ihn sich mit Kaffee, Tee oder einer heißen Schokolade auffüllen lassen kann, gab es ja schon zuvor." Gerade von grünen Bürgermeistern regierte Städte wie Freiburg, Rosenheim, Heidelberg oder Tübingen seien gute Beispiele. Sie würden sehr bedacht an die Vermeidung von Müll herangehen. Dort komme die Umsetzung bei den Bewohnern gut an. Es sei also nicht schwer gewesen, nun auch in Fürstenfeldbruck auf die Thematik zu kommen, so Habersetzer.

Die Bäckerei Drexler in Fürstenfeldbruck bietet ihren Kunden Edelstahlbecher zum Kauf an. Damit will man die Menge der Einwegbecher reduzieren und langfristig Abfall vermeiden. Dieses Ziel verfolgt auch die Stadt. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Doch wer der eigentliche Impulsgeber war, ist leicht zu sehen, wenn man sich auf dem vollen Pausenhof des Viscardi-Gymnasiums in Fürstenfeldbruck aufhält. Dort wird nämlich schon seit einiger Zeit im Sinne der Müllvermeidung verkauft. "Die Schüler können sich Mehrwegbecher vor Ort kaufen und sie mit dem gewünschten Getränk befüllen lassen. Sie haben uns inspiriert und noch einmal in unserem Vorhaben bestärkt. Die Schüler sind somit Pate des Projektes", erläutert Habersetzer.

Die Resonanz bisher ist gut. Schon viele Cafébesitzer und Inhaber von Bäckereien haben sich gemeldet und dem bevorstehenden Treffen am Dienstag zugesagt. "Der Tag steht ganz im Zeichen der Mitbestimmung. Überzeugende Argumente in vielerlei Hinsicht sind willkommen und insbesondere das gemeinsame Arbeiten im Team steht im Vordergrund." Miteinander eine Lösung finden, das ist der Plan.

Auch in der Stadt kommt der Vorschlag gut an. So hat etwa die Bäckerei Drexler schon seit längerer Zeit isolierende Gefäße, die an der Theke erworben werden können und womit man sich dann bei jedem Einkauf eines warmen Getränkes zehn Prozent sparen kann. Achtet man gezielt darauf, so findet man dieses System mittlerweile des Öfteren. Auch große Ketten wie etwa Mc Donald's oder Starbucks arbeiten mit diesem Konzept. "Das Interesse spiegelt sich bislang noch in überschaubaren Zahlen wieder, aber wir hoffen, dass sich unser Wunsch, weniger Müll mit Plastik- oder Pappbechern zu produzieren, auf längere Zeit erfüllt," sagt die Chefin Christiane Drexler. Sie und ihre Mitarbeiterinnen sind der Sache gegenüber positiv eingestellt. "Schauen wir mal, was uns das Treffen im Rathaus bringen wird."

Und auch das Brucker Fenster, der Caritas-Weltladen, schreitet als Vorbild zur Nachhaltigkeit mit großen Schritten voran. Dort gebe es schon seit Langem Mehrwegbecher aus Bambus, so die Leiterin des gemütlichen Plätzchens Oona Moths. "Immer mehr Leute kommen mit einer Tupperbox zu uns und lassen sich ihre Mahlzeiten einfüllen. Aber auch der Bambusbecher ist sehr beliebt." Bambus wächst sehr schnell nach und lässt sich aufgrund seiner Eigenschaften sehr gut verarbeiten. Das Team des ökologischen Weltladens hat sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen: "Beim Kauf eines Bambusbechers gibt es das erste heiße Getränk gratis dazu," sagt Moths mit einem Schmunzeln. Danach gilt für die Gäste dann der ganz gewöhnliche Preis. Überlegt werde, eine Stempelkarte zu entwerfen. Beim zehnten Stempel gibt's ein Getränk gratis.

Doch es gibt nicht nur Befürworter von Mehrwegbechern. "Ich glaube nicht, dass das in Fürstenfeldbruck bei allen funktionieren könnte", gibt eine Kundin zu bedenken. Denn wer einen Becher mitbringe und diesen füllen lassen wolle, der müsse ja schließlich immer zu einer Kaffeemaschine kommen, die dem Format der Becher entspräche. "Ist mein Gefäß zu groß, wird dann doch wieder ein anderer Plastikbehälter verwendet und der Kaffee dann danach in dem Mehrwegbehälter geschüttet. Wo ist hier der Sinn", fragt sie sich.

Ob sich etwas ändert, hängt nach Meinung von Andreas Habersetzer auch davon ab, ob die Kunden die vermeintliche Bequemlichkeit ändern wollen. Schon jetzt werden Einwegpappbecher oft mit einem Aufpreis von durchschnittlich 20 Cent verkauft. "Das stört die Kunden aber nicht,"sagt Oona Moths, "der Kaffee wird dennoch gekauft." Rechne man die pro Kopf entstehenden Aufpreise zusammen, komme man nach und nach auf den Preis eines neuen Mehrwegbechers, den man dann schließlich immer benutze.

Und auch Elisabeth Bücherl, Inhaberin der Bäckerei Bücherl an der Hauptstraße hat Bedenken. "Ich finde, dass es wirklich eine super Idee ist, aber bin mir nicht sicher, ob es von heute auf morgen bei allen Cafés umsetzbar ist Gerade auf Grund der strengen Hygienekontrollen." In puncto Hygiene bestehen noch einige Unsicherheiten. Laut Verbraucherzentrale ist es keineswegs verboten, sich ein Heißgetränk in einen mitgebrachten Becher einfüllen zu lassen. Das große Aber taucht auf, sollten Verunreinigungen zu gesundheitlichen Problemen bei den Kunden führen. Dann müssen die Anbieter letztendlich das das Risiko tragen. Auch wenn Elisabeth Bücherl es sich, wie so viele andere wünscht, müssen vielerlei Dinge beachtet werden: Welches Material wird verwendet, sollen die Becher privat gekauft werden oder gibt es solche gegen Pfand, die man wieder mitbringt.

Wie sich die Cafébesitzer entscheiden werden, was sie zur Diskussion beitragen können, darauf freut sich Andreas Habersetzer schon. " Wir sind wirklich gespannt, was passieren wird." Alles sei freiwillig, niemand werde gezwungen, etwas zu ändern. "Wir würden uns aber freuen, wenn sich möglichst viele Interessenten finden würden. Eine erfolgreiche Geschichte lebt ja schließlich nur vom Mitmachen."

© SZ vom 07.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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