Mangel an Arbeitskräften:Unternehmer setzen auf Menschen mit Behinderung

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Weil es für die Wirtschaft immer schwieriger wird, Mitarbeiter zu finden, will die IHK künftig auch Personen mit schwerem Handicap einstellen. Ein Mitglied der Kammer erklärt, diese seien hoch motiviert und seltener krank

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Für arbeitssuchende Menschen mit Behinderung zeichnet sich eine erfreuliche Entwicklung ab. Der Mangel an Arbeits- und Fachkräften ist bei vielen Firmen im Landkreis inzwischen zu einem so großen Problem geworden, dass Cewe-Color-Geschäftsführer Stephan Reinhold aus Germering bei einer Sitzung des IHK-Regionalausschusses im Landratsamt vorgeschlagen hat, es gelte, das gesamte Arbeitskräftepotenzial zu aktivieren. Wobei er ausdrücklich darauf hinwies, vor allem mehr Schwerbehinderte einzustellen. Diese seien "hoch motiviert", sehr zufrieden, eine Stelle zu finden, und daher sogar noch viel seltener krank als ihre Kollegen.

Auf Vorschlag von Reinhold hin wird sich die gewählte Vertretung der Mitglieder der Industrie- und Handelskammer für den Landkreis in einer ihrer nächsten Sitzung mit einer Initiative beschäftigen, die fragt, wie mehr Schwerbehinderte beschäftigt werden können. Der Germeringer Geschäftsführer berichtete von seinen äußerst positiven Erfahrungen und kritisierte, noch zu viele Unternehmen würden es vorziehen, sich mit der Zahlung einer Abgabe von der Verpflichtung freikaufen, Behinderte einzustellen. Laut Reinhold ist die Beschäftigung von Menschen mit einem Handicap zudem alles andere als ein "Minusgeschäft". Es lohne sich, in diese Menschen zu investieren, beteuerte er. Zudem würden solche Arbeitskräfte bereits im Landkreis leben und daher keine neue Wohnung benötigen.

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum für neue Mitarbeiter ist nämlich das zweite große Problem, das den Unternehmern im Landkreis Kopfzerbrechen bereitet. In diesem Punkt wollten die Vertreter der Wirtschaft ihren Gastgeber, Landrat Thomas Karmasin (CSU) in die Pflicht nehmen. Dieser verwies jedoch darauf, zwar das gleiche Problem zu haben und an der Errichtung von bezahlbaren Mietwohnungen für die eigenen Mitarbeiter interessiert zu sein. Aber die öffentliche Hand, so Karmasins Einwand, könne nicht alles schultern, es gehe immer auch um Kooperation und die gemeinsame Suche nach Lösungen. Und der Landrat erinnerte daran, dass es Zeiten gab, in denen Betriebe selbst tätig wurden und Werkswohnungen bauten. Auch an diese Tradition sollte wieder angeknüpft werden.

Immerhin kündigte Barbara Magg, die Wirtschaftsförderin des Landratsamtes, an, dass zurzeit über ein Wohnprojekt für Firmenmitarbeiter verhandelt werde. Einzelheiten wollte sie nicht preisgeben. Nur, dass die Wirtschaftsförderung das Projekt mit angestoßen habe und Unternehmer später die fertigen Wohnungen zur Vermietung an ihre Mitarbeiter kaufen wollten.

Auch dem von Unternehmerseite wiederholt vorgetragenen Wunsch, ihnen doch bei der Entbürokratisierung zu helfen, konnte Karmasin nicht entsprechen. Er verweis darauf, dass er seine Verwaltung nicht dazu bringen könne, sich nicht gesetzeskonform zu verhalten. Zudem seien Verwaltungen ja nicht die Erfinder der störenden Vorschriften.

Gremiumsmitglieder berichteten angesichts der Vollbeschäftigung und einer hohen Kaufkraft im Landkreis von einer guten bis sehr guten Lage der Wirtschaft. Aber auch eine Hochkonjunktur hat ihre Schattenseiten. Wie es hieß, hätten viele Firmen ihre Kapazitätsgrenzen erreicht. Zudem sei der Fachkräftemangel inzwischen so groß, dass Firmen schon Schichten streichen müssten. Ein Unternehmer beklagte die in diesem Herbst "rasant" angestiegene Krankenquote von bis zu neun Prozent seiner Mitarbeiter. Als nicht zufriedenstellend empfinden es Arbeitgeber, dass es nicht gelinge, die besten Nachwuchskräfte im Landkreis zu halten. Es wurde angeregt, deshalb noch früher an die Schule zu gehen und auf das vielfältige Angebot an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen hinzuweisen.

Der Regionalausschuss befasste sich noch mit den hohen Grundstückspreisen und der daraus resultierenden Verdrängung von Handwerksbetrieben von den Zentren an die Peripherie oder sogar ganz aus dem Landkreis. Jürgen Biffar aus Germering forderte, schwächere Unternehmer, also kleine Einzelhändler und Handwerker, die Auszubildende suchten, müssten besser gefördert werden. Um diesen Anliegen sollte sich die Allgemeinheit rechtzeitig kümmern, mahnte der Germeringer. Geschehe das nicht, werde der Landkreis zu einer Region für "supermoderne IT-Unternehmen". Und wenn es dann irgendwann keine Dienstleister mehr gebe, hätten irgendwann alle Landkreisbewohner ein Problem, beteuerte Biffar.

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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