Lückenhafter Lebenslauf:Die Detektivin

Verena Beaucamp erforscht die Biografie. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Verena Beaucamp hat mehr als 1000 Dokumente analysiert

Irgendwann sei die Person Henrik Moors vor ihrem geistigen Auge auferstanden, erzählt Verena Beaucamp. Im vergangenen Sommer hatte die Kunsthistorikerin damit begonnen, sämtliche schriftlichen Quellen auszuwerten, die den Künstler und seine Familie betreffen. Über 1000 Dokumente hat sie gelesen und transkribiert. "Es ist wie ein großes Puzzle", erzählt Beaucamp. Wenn auf einmal jedes noch so kleine biografische Detail Sinn ergebe, sei das wie Weihnachten. Die Biografie Moors sei sehr lückenhaft gewesen. Vieles, wie seine jüdische Herkunft, habe er bereits zu Lebzeiten versucht zu verschleiern.

Auf Beaucamps Schreibtisch im Büro des Stadtmuseums stapeln sich kistenweise Originale und Scans von Fotografien, Briefen, Meldebögen, Heiratsurkunden, Tagebucheinträgen, aber auch Zeitungsartikel, historische Ausstellungskataloge oder Matrikelbücher der Kunstakademien. Was sich nicht im Nachlass der Malertochter Anita Moor finden ließ, wurde aus den Archiven in Fürstenfeldbruck, München, Wien, Prag oder dem Literaturarchiv Marbach bestellt. "Manchmal genügte nur ein Hinweis in einem Brief auf einen Aufenthaltsort oder ein Name auf der Rückseite eines Fotos - schon eröffnen sich ganz neue Zusammenhänge. Man arbeitet wie ein Detektiv."

So ist es unter anderem Beaucamps Forschungen zu verdanken, dass erstmals eine vollständige Biografie des Künstlers rekonstruiert und seine Werke eindeutig zugeordnet werden konnten. Man weiß nun, in welchen Kreisen er verkehrte, wer zu seinen Freunden und Förderern zählte - aber auch, dass Moor ein liebevoller Ehemann und Vater gewesen sein muss, der jeden Brief mit Liebkosungen und Küssen unterschrieb.

© SZ vom 07.05.2016 / Laha - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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