Lokale Zeitgeschichte:Polizist und Täter

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Der Brucker Hans Hösl kommandiert ein SS-Regiment, das an Kriegsverbrechen beteiligt ist. Später wird er stellvertretender Leiter der Polizeischule

Von Peter Bierl

Die Polizisten trieben die Menschen in den Dörfern und Stadtvierteln zusammen, erschossen unbeteiligte Zivilisten und Geiseln, plünderten die Häuser und zündeten sie an. Im Frühjahr 1944 trieben die Polizisten etwa 1700 Juden in Athen zusammen und deportierten sie nach Auschwitz, wo die meisten sofort in den Gaskammern ermordet wurden. Die Männer des SS-Polizei-Gebirgsjägerregiments 18 zogen eine Blutspur durch Slowenien und Griechenland. Das Kommando hatte Hans Hösl, der an der Polizeischule Fürstenfeldbruck unterrichtet hatte. Er wurde für diese Taten nie belangt, die Spruchkammer stufte ihn als Mitläufer ein. Bei seiner Pensionierung 1959 fungierte Hösl als stellvertretender Leiter der Polizeischule.

Am Samstag ist der Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee. Seit 1996 wird an diesem Tag der Opfer des Nationalsozialismus gedacht, in Fürstenfeldbruck im Zentrum am Mahnmal für die Opfer des Todesmarsches, jene KZ-Häftlinge, die in den letzten Kriegstagen aus den Außenlagern bei Landsberg nach Dachau getrieben wurden. Ihr Schicksal und der Todesmarsch durch Bruck und den Landkreis verschwanden in der Nachkriegszeit aus dem offiziellen Gedächtnis, bis zwei Journalisten und ein Lehrer die Vorgänge recherchierten und 1990 wieder publik machten. Alle diese Verbrechen waren nur möglich, weil Soldaten, Polizisten und Beamte taten, was sie später als Pflichterfüllung rechtfertigten. Nur wenige wurden zur Rechenschaft gezogen, die meisten konnten ihre Karriere fortsetzen, ihre Pension genießen und starben hochgeehrt. Hösl wurde 1987 in Nachrufen als Mitglied der Münchner Turmschreiber gewürdigt, der mit seinen Stücken den Poetentaler gewonnen hatte.

Der Gröbenzeller Historiker Sven Deppisch hat in einer umfangreichen Studie aufgearbeitet, in welchem Ausmaß Absolventen der Brucker Polizeischule an Vernichtungskrieg und Shoa beteiligt waren. Mit einer gezielten paramilitärischen Ausbildung wurden die angehenden Polizeioffiziere darauf vorbereitet, lautet sein Fazit. Der Fall Hösl ist exemplarisch für die Generation älterer Polizeioffiziere, die als Dozenten und Kommandeure tätig waren. Hösl wurde 1896 in München geboren, katholisch getauft und legte 1912 die Mittlere Reife ab. Zwei Jahre später trat er in den Polizeidienst ein. Ab 1915 diente er im bayerischen ersten Infanterieregiment und bekam mehrere Orden. Anschließend kehrte er in den Polizeidienst zurück. Er kletterte in der Hierarchie nach oben, bis er zum Major der Schutzpolizei befördert wurde. 1938 wurde er an die Brucker Polizeischule versetzt wurde, wo er vor allem Strafrecht lehrte, und wohnte mit seiner Familie in der Kaiser-Ludwig-Straße, der heutigen Wernher-von-Braun-Straße.

Wenige Wochen nach Kriegsausbruch wurden im Herbst 1939 Tausende ungedienter Männer der Jahrgänge 1918 bis 1920 zu Polizeiausbildungsbataillonen zusammengefasst. Hösl übernahm das Kommando eines Bataillons in München, aus dem das Polizeibataillon 302 hervorging. Die Einheit wurde 1942 in das Polizei-Gebirgsjäger-Regiment 18 einbezogen und erlebte ihre "Feuertaufe" in Slowenien. Im Rahmen der Aktion "Enzian" sollte der Widerstand der Bevölkerung durch Terror gebrochen werden. Mindestens elf Dörfer wurden niedergebrannt und einige Hundert Menschen als Geiseln getötet, schrieb der Historiker Ralph Klein 2009 aus Witten in seinem Aufsatz über das Polizei-Gebirgsjägerregiment 18.

Nach einem kurzen Fronteinsatz in Finnland wurde das Regiment im Juli 1943 nach Griechenland verlegt. Im September übernahm Hösl das Kommando über das gesamte Regiment mit 3600 Polizisten. Die Truppe wurde in Athen und in Böotien eingesetzt, zur Sicherung des militärischen Nachschubs, wie Hösl im Entnazifizierungsverfahren angab. Die Recherchen von Deppisch und Klein ergaben ein weiteres Betätigungsfeld: Strafaktionen gegen Dörfer, Razzien gegen die Bewohner von Stadtvierteln in Athen, Einsätze gegen streikende Arbeiter und schließlich die Menschenjagd, die Deportation von Zivilisten zur Zwangsarbeit in Deutschland und von Juden in die Vernichtungslager. Genau auf diese Art von Einsätzen waren die Polizisten in Bruck vorbereitet worden.

Im Entnazifizierungsverfahren vor der Brucker Spruchkammer spielten Hösls Taten als Polizeioffizier keine große Rolle. Aufgebauscht wurde der Umstand, dass er in München in einem Bezirk tätig war, in dem Hitler eine Wohnung besaß. Im Lauf des Verfahrens wurde das als die Belanglosigkeit gewertet, die es war. Für seine Mitgliedschaft in der NSDAP seit 1940 sowie diversen NS-Nebenorganisationen wurde er als Mitläufer eingestuft und musste zur Sühne 500 Reichsmark bezahlen. Hösl habe "als Mensch und Beamter einwandfrei und korrekt gehandelt", urteilte die Kammer. Im Juli 1948 wurde Hösl bei der Grenzpolizei eingestellt, dort befördert, zum Beamten auf Lebenszeit ernannt und gelangte 1953 wieder in die Leitung der Polizeischule. Von Mai 1957 an war die Einrichtung wieder in Fürstenfeldbruck untergebracht. Hösl amtierte als stellvertretender Leiter und führte das Ausbildungs- und Prüfungsreferat.

Hans Hösl im Jahr seiner Pensionierung 1959. (Foto: Archiv des Bayerischen Polizeimuseums)

Als deutsche Staatsanwälte sich zu Ermittlungen aufrafften, war Hösl schon in Pension. In seiner Vernehmung im Jahr 1960 bestritt er, für Geiselerschießungen verantwortlich gewesen zu sein, die Zerstörung des Dorfes Vrastamites rechtfertigte er als Vergeltung für einen Partisanenangriff. Das Verfahren wurde eingestellt. Deppischs Urteil lautet anders: "Als Kommandeur hatte Hösl die Befehlsgewalt inne und war damit für die Verbrechen seiner Untergebenen verantwortlich."

Der Arbeitskreis Mahnmal lädt an diesem Samstag um 11 Uhr zum Gedenken am Todesmarsch-Mahnmal in Fürstenfeldbruck, Ecke Dachauer/Augsburger Straße, ein. Um 15 Uhr ist in Gröbenzell eine Kranzniederlegung und Gedenkminute am Mahnmal für die Opfer der NS-Herrschaft vor der Post.

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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