Flüchtlinge :Ausbilden statt abschieben

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IHK-Gremium kritisiert die vielen bürokratischen Hürden

Von Gerhard Eisenkolb, Egenhofen

Viele der dem Landkreis zugewiesenen Flüchtlinge suchen verzweifelt nach einem Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Und viele der hier ansässigen Unternehmen suchen angesichts des Fachkräftemangels ebenso verzweifelt nach Arbeitskräften und Lehrlingen. Also sollte es eigentlich kein Problem sein, beiden Interessen zu entsprechen. Doch dem ist nicht so, obwohl ein Arbeitsplatz als eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration gilt. Das ist das Ergebnis von mehrstündigen Beratungen der Mitglieder des Gremiums Dachau-Fürstenfeldbruck der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern in der Furthmühle bei Egenhofen. In vielen Punkten besteht für Arbeitgeber weder Planungs- noch Rechtssicherheit.

So gilt für Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsländern oder nach Ablehnung des Asylantrags ein absolutes Arbeitsverbot. Aber auch diejenigen, die arbeiten dürfen, was nach einem Aufenthalt von drei Monaten im Prinzip gestattet ist, müssen in einem komplizierten Arbeitserlaubnisverfahren erst die Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde und der Agentur für Arbeit einholen. Dabei wird unter anderem geprüft, ob es bevorrechtigte andere Bewerber für die Stelle gibt. Aber auch, ob wirklich eine mit den geltenden Tarifverträgen konforme, ortsübliche Bezahlung gewährleistet ist. So soll Lohndumping durch die Einstellung von Flüchtlingen verhindert werden. Schließlich werden die meisten der Ablehnungsbescheide erlassen, weil die Bezahlung der Asylbewerber zu niedrig ist.

Da wirtschaftliche Not zudem noch kein Asylgrund ist, hat eigentlich kein Flüchtling, der nach Deutschland kommt, weil er eine Arbeit sucht, eine Chance, hier eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Selbst Praktika können genehmigungspflichtig sein und unter das Mindestlohngesetz fallen. Haben Flüchtlinge den Status der Duldung erreicht und verdienen ihren Lebensunterhalt selbst, steht ihr Arbeitsverhältnis unter dem Vorbehalt einer möglichen Abschiebung. Das gilt auch für Auszubildende mit einem Lehrvertrag, die ihre Lehre nur antreten können, wenn die Ausländerbehörde dem zugestimmt hat. Zurzeit verlängert eine Lehrstelle die Duldung zunächst nur für ein Jahr. Bei Wohlverhalten wird diese Duldung um ein zweites Jahr verlängert. Bis schließlich vom dritten Lehrjahr an und dem darauf folgenden ersten Jahr einer Beschäftigung als Geselle eine Abschiebung ausgeschlossen wird. Aber danach ist wieder alles offen. Unter solchen Umständen überlegt es sich ein Lehrherr genau, ob er wirklich einen Flüchtling einstellt. Auch weil weitere Unwägbarkeiten wie Verständigungsprobleme und kulturelle Unterschiede dazukommen. Der Ausbilder muss sich interkulturelle Kompetenzen aneignen und der Lehrling benötigt, wie angeregt wurde, noch einen externen "Kümmerer", der ihm bei persönlichen Problemen zur Seite steht.

Trotzdem gibt es wohl keine Alternative zur Beschäftigung von Asylbewerbern. Davon zeigten sich IHK-Vertreter wie Firmeninhaber überzeugt. "Ausbilden statt abschieben" lautet deshalb die Forderung des IHK-Mitarbeiters Hubert Schöffmann, der für das Modell der bayerischen Kammern "drei plus zwei" warb. Hinter dieser Formel steckt der Vorschlag, politisch einen generellen Abschiebungsschutz für Lehrlinge während der gesamten Ausbildungszeit und der ersten zwei Berufsjahre durchzusetzen. Mit solchen Strukturen und Regelungen könnten beiden Seiten Perspektiven eröffnet werden. Als ersten kleinen Erfolg bezeichnete Schöffmann einen Erlass, der für Auszubildende im Freistaat einheitliche Duldungszeiträume gewährleisten soll.

Firmeninhaber wie der Fürstenfeldbrucker Gastronom und Hotelier Gerhard Kohlfürst, die sich Hoffnung auf die Einstellung und Ausbildung von jugendlichen Flüchtlingen gemacht haben, äußersten sich aber enttäuscht. Kohlfürst sieht aktuell kaum noch Möglichkeiten. Es seien noch zu viele Hausaufgaben zu erledigen. Laut Darstellung von Isabell Sittner, Leiterin der Koordinierungsstelle Asyl am Landratsamt Dachau, ist man dort schon weiter. Um zu zeigen, dass Flüchtlinge doch arbeiten können, sei in Dachau ein Arbeitskreis Arbeitsaufnahme gebildet worden. Brucks Sparkassenchef Klaus Knörr forderte, eine solche Koordinierungsstelle auch für den Brucker Landkreis zu gründen.

© SZ vom 11.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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