Landgericht:Angriff im Wahn

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28-Jähriger erklärt Drohungen gegen Bekannte und Angriff auf Polizisten mit psychischen Problemen

An den Juni 2017 kann sich der Beschuldigte, ein Staplerfahrer aus Germering, noch genau erinnern. Er habe in Vollzeit gearbeitet, mit dem Rauchen aufgehört, und seine Partnerin sei von ihm schwanger gewesen. "Vielleicht war das zuviel", meinte der 28-Jährige am Montag vor dem Landgericht München II. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Germeringer Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten vor und fordert dessen zeitlich unbefristete Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik.

Im Sommer 2017 hatte der Staplerfahrer eine Psychose bekommen. Auf Instagram schrieb er Bekannten, "dass er ins Paradies fahren" werde und sie mitnehmen könne. Unter den Adressaten befand sich auch seine frühere Lebensgefährtin. Ihr schrieb er unter anderem, "ich zieh' bald aus in den Iran, ich bin jetzt Terrorist." Zu zwei Arbeiterin im Hallenbad von Germering sagte der Staplerfahrer, dass er der Sohn Allahs sei und "die Augen des Propheten" habe. Darüber hinaus beschied er ihnen, dass sie "Opfer" seien und sterben würden. Sowohl die Arbeiter, als auch die Bekannten, die der 28-Jährige über Instagram angeschrieben hatte, gingen davon aus, dass er einem religiösen Wahn anheimgefallen sei und möglicherweise sich und andere töten werde. Sie wandten sich deshalb an die Polizei. Am 5. Juli 2017 eskalierte die Situation.

Am Vormittag jenes Tages wollten drei Beamte der Polizeiinspektion Germering den Staplerfahrer vernehmen. Der 28-Jährige zeigte sich zunächst kooperativ. Als er aber mit auf die Inspektion sollte, begann er sich heftig zu wehren. Einem der Polizisten rissen bei der Rangelei zwei Sehnen an der Schulter ab. Als er gegen seine zwei Kollegen, die hinter ihm standen, gestoßen wurde, fielen diese eine Treppe hinunter. Auch sie wurden erheblich verletzt. Von einem der Polizisten, der auf dem Rücken lag, machte der 28-Jährige ein Foto und verschickte es an Bekannte. Es war versehen mit dem Kommentar: "Ich hab alle drei aufs Maul gehauen" und "die Cops hatten so schiss." Die Beamten, von denen einer laut seiner Anwältin aufgrund des Vorfalls bis heute traumatisiert sei, haben inzwischen Schadens- und Schmerzensgeldansprüche gegen den Staplerfahrer angemeldet. Laut seines Verteidigers, Rechtsanwalt Günter Reisinger, belaufen sich diese auf rund 90 000 Euro.

Nachdem der Versuch der Germeringer Polizei, den 28-Jährigen mitzunehmen, fehlgeschlagen war, rückte ein Sondereinsatzkommando an. Es brach die Wohnungstüre des Staplerfahrers auf. Bei der Festnahme wurde dieser zweimal von einem Polizeihund gebissen.

Bei seiner Vernehmung durch den Vorsitzenden der 3. Strafkammer, Richter Martin Hofmann, sagte der 28-Jährige, er habe im Sommer 2017 einen "religiösen Wahn" gehabt und "viel geredet". Er habe nur Aufmerksamkeit erregen wollen. Auf "verrückte Art und Weise" sei ihm das ja auch gelungen. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob er ein radikaler Islamist sei, schmunzelte der Staplerfahrer und sagte: "Nee" und fügte hinzu, dass er einen Bart trage, habe nichts mit seiner Religion zu tun. Nach der Tat wurde der Germeringer auf Anordnung des Amtsgerichts München für mehrere Monate im Isar-Amper-Klinikum München-Ost einstweilig untergebracht. Er ließ sich behandeln und nimmt seither regelmäßig ein Neuroleptikum. Das Medikament soll verhindern, dass er erneut psychotisch wird. Ein Urteil in dem Verfahren soll bereits heute verkündet werden.

© SZ vom 30.04.2019 / sal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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