Kunstpreis:Modern, jung, reduziert

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Christine Kellerer wird für ihren Skulptur "Akt" aus einem Lindenstamm ausgezeichnet (Foto: Günther Reger)

Die Werke der drei Preisträger bilden eine spannende Kombination

Von Florian J. Haamann

Mit der Auswahl von Christine Kellerer, Attai Chen und Tamy Alessandra Plank hat sich die Jury für drei Künstler entschieden, deren Namen bisher im Landkreis kaum bekannt sind. Dass sich das nun ändert, ist eine gute Nachricht, denn alle drei bringen verschiedene Qualitäten mit, die der Kunstszene des Landkreises sehr gut tun. Mit Attai Chen ist zudem ein internationaler Künstler dabei, der wirklich weit über die Landkreisgrenzen hinaus etabliert und renommiert ist. Zudem ist es heuer das erste Mal seit 1999, dass der Hauptpreis mit Christine Kellerer und Attai Chen an zwei Künstler vergeben wird. Tamy Plank ist Trägerin des Förderpreises.

Die Werke der drei Preisträger, die jeweils auch 2000 Euro erhalten, sind komplett in die Gesamtkunstausstellung des Landkreises eingebunden. Chens Siegerwerk "Compounding Fractions (Wandskulptur 4) findet sich im unteren Stockwerk des Kunsthauses. Es ist eine schwarze Skulptur, die aus der weißen Wand zu wachsen scheint. Aus unzähligen kleinen Strukturen hat er ein großes Ganzes geschaffen, das beim Betrachter zahlreiche Assoziationen weckt. Zeigt es ein Federkleid? Eine Pflanze? Verklebte Gesteinssplitter? Gab es einen Brand? Sicher ist nur, dass eine natürliche, organische Struktur zu sehen ist, deren Detailreichtum zur Auseinandersetzung anregt. Die Skulptur ist jedenfalls auch eine Fortsetzung der Schmuckstücke, die Chen schafft, skaliert in die große Form.

Geradezu als Kontrast dazu steht der überlebensgroße Frauenakt aus Holz von Christine Kellerer. Mit der Kettensäge hat sie die Figur aus einem mächtigen Lindenstamm herausgearbeitet. Schon die Wahl des Werkzeugs sorgt dafür, dass die Formen und Linien in den Mittelpunkt treten, Details finden sich nicht. Stellen wie Knie und Finger können nur angedeutet werden. Umso kraftvoller wirkt die Weiblichkeit, die die Figur ausstrahlt. Auch auf ein Gesicht hat die Künstlerin verzichtet, der Betrachter kann so seine eigenen Vorstellungen hineinprojizieren. Verstärkt wird die Reduktion aufs Weibliche dadurch, dass Kellerer die Skulptur an wenigen Punkten mit kleinen Farbakzenten definiert hat: an Brust, Scham, Finger- und Fußnägeln. Auch die Jury zeigt sich in ihrer Begründung von der Reduziertheit der Figur beeindruckt.

Während von den Hauptpreisträgern jeweils ein Werk zu sehen ist, ist die Förderpreisträgerin Tamy Plank mit drei Werken vertreten. Das ist deshalb gut, weil der Stil der 27-Jährigen noch längst nicht so gefestigt ist, wie der ihrer Mitgewinner, und der Besucher so einen guten Zugang zu ihrer Kunst bekommt. Eines der Werke, "Agnes", basiert auf dem gleichnamigen Roman von Peter Stamm. Von jeder Seite hat Plank einen Satz genommen und ihn in eine kleine Keramik-Figur umgewandelt. Entstanden ist ein Setzkasten, der zahlreiche Geschichten erzählt. Für das Gemälde "Frauengruppe im Grab der Nefertari" hat Plank Frauen von historischen Fotografien genommen und sie am Grab der ägyptischen Königin zusammengebracht. Und "Expansion - Löwenzahn Flugsamen an Garagentor" ist eine kleine Alltagsbeobachtung, die in zarten Farben zu einer abstrakten Struktur zerfließt.

Und so ist es der Jury gelungen, eine interessante Mischung an Preisträgern zu schaffen, die es so schon länger nicht gab in der Geschichte des Kunstpreises. Um das zu schaffen, hat man die Regularien zwar sehr weit ausgelegt, schließlich haben die beiden Akademiekünstler nur einen geringen Bezug zur Kunst des Landkreises. Das Ergebnis aber rechtfertigt dieses Manöver.

© SZ vom 14.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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