Künstlerinnen:Geschlechterkampf um die Leinwand

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Das Museum Fürstenfeldbruck erzählt von den ersten Kunststudentinnen in München von 1920 an

Von Florian J. Haamann

Junge Frauen, die für nichts anderes kämpfen als dafür, einfach so behandelt zu werden wie ihre männlichen Altersgenossen. Klingt nach einer der vielen Debatten um Gleichberechtigung und Emanzipation, die aktuell in so vielen Bereichen der Gesellschaft geführt werden. Und doch spielt die Geschichte, um die es hier geht, vor genau 100 Jahren. Damals hatten es junge Frauen nach vielen Jahrzehnten des Kampfes geschafft, eine Türe aufzustoßen, die ihnen lange verschlossen war: die zur Akademie der Bildenden Künste in München. Denn im Wintersemester 1920 durften sie erstmals seit 1852 wieder dort studieren.

In der hervorragend kuratierten und erarbeiteten Ausstellung "Frau darf ... - 100 Jahre Künstlerinnen an der Akademie" im Museum Fürstenfeldbruck werden nun zwölf der ersten Studentinnen an der Münchner Kunstakademie genauer vorgestellt. Dazu werden die Entwicklungen, die zu diesem Punkt geführt haben, aufgezeigt. Eigentlich sollte die Ausstellung bereits für die Öffentlichkeit zugänglich sein, aber der aktuelle Teillockdown hat auch diesen Plan durchkreuzt. Aufgebaut haben die Macherinnen sie dennoch schon, damit sie jederzeit starten können, wenn es wieder erlaubt ist. Bis dahin könnten Interessierte schon einmal den begleitenden Katalog über das Museum bestellen und studieren - während der Beschränkungen portofrei.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Maria Eberhards Porträt ihrer Freundin Maria Gögler aus den Zwanzigerjahren zeigt das neue Selbstbewusstsein, mit dem sich die Frauen damals in der Öffentlichkeit präsentierten.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Im Immatrikulationsbuch der Münchner Akademie vom Winter 1920/21 finden sich bereits auf der ersten Seite die ersten Frauen, als vierte hat sich Lissy Eckart eingeschrieben.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Ausstellung räumt auch den Vorkämpferinnen der Kunststudentinnen ausreichend Raum ein.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Und präsentiert so manches Detail.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Gemälde zeigen, wie sich das Selbstverständnis der Frauen wandelt.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Sie emanzipieren sich von den Sujets: Tiere, Blumen, Landschaften.

Die Münchner Akademie war 1920 eine der letzten Bastionen exklusiver Männlichkeit in der noch jungen Weimarer Republik. Denn deren Verfassung garantierte eigentlich eine Gleichberechtigung der Geschlechter. In der Praxis aber war den Gremien in der Akademie kein Argument zu absurd, um die Studentinnen weiter auszuschließen. So heißt es in einem Memorandum der Studierenden der Münchner Akademie an das Staatsministerium im Februar 1919, dass es sich beim Kunststudium für Frauen ja sowieso nur um eine "vorübergehende [TÄTIGKEIT], als Teil ihrer Allgemeinausbildung in der Zeit zwischen Schulentlassung und Ehe" handle. Und weiter: "In der Tat zeigen die Erfahrungen an anderen Kunst-Akademien, [...]dass mit dem Eintritt der weiblichen Studierenden ein starkes Sinken der männlichen Qualitätsarbeit, überhaupt der Produktivität beginnt". Gemeinsames Aktmalen sei nicht zumutbar, für Bildhauerei seien Frauen zu schwach und außerdem entziehe sich die "Idee des Dynamischen" der "weiblichen Einbildungskraft", wie der Kunstkritiker Karl Scheffler 1908 erklärte. Am Ende ist es das bayerische Kultusministerium, dass am 6. August 1920 verfügt, dass auch die Münchner Akademie ab dem kommenden Wintersemester Frauen zulassen muss.

Das Spektrum der in der Ausstellung vorgestellten Künstlerinnen zeigt sehr anschaulich, wie unterschiedlich die Wege waren, die die ersten Kunststudentinnen einschlugen: Vom relativ schnellen Unterordnen der eigenen Karriere zu Gunsten des Partners, wie etwa bei Marianne Euler, über einen schnellen Aufstieg unter dem nationalsozialistischen Regime, an den nach 1945 nahtlos angeknüpft werden konnte (Henny Kundmüller), bis hin zu Maria Eberhard, die unverheiratet blieb und sich ganz ihrer künstlerischen Karriere widmete.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

"Frau darf... - 100 Jahre Künstlerinnen an der Akademie" zeigt die ganze Vielfalt in Formen und Themen, die das Werk der zwölf Künstlerinnen ausmacht.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Sie ordnet ihre Biografien aber auch in den Kontext der gesellschaftlichen Umstände ein und zeigt den langen Weg der Frauenbewegung,...

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

...der vor der Öffnung der Akademie im Jahr 1920 zurückgelegt werden musste.

Die Ausstellung räumt aber auch den Vorkämpferinnen der Kunststudentinnen ausreichend Raum ein, sowohl gesellschaftlich als auch künstlerisch. So widmet sich ein ganzer Teil der Ausstellung der Frauenbewegung vor allem in München um die Jahrhundertwende. Gemälde wie "Die Lesende" von Lily Koebner-Linke zeigen, wie sich das Selbstverständnis der Frauen wandelt, die nun auch ein Interesse am politischen Tagesgeschehen entwickeln oder vielmehr ihr vorhandenes Interesse öffentlich und selbstbewusst zeigen. Gleichzeitig wählen Künstlerinnen immer häufiger politische Themen - Arbeitswelt, Elend, Gleichberechtigung - als Motive ihrer Arbeiten. Damit emanzipieren sie sich von den Sujets, die in der Öffentlichkeit bis dahin als "Frauenthemen" galten: Tiere, Blumen, Landschaften.

Das neue Selbstverständnis der Frauen ist im Titelbild der Ausstellung deutlich zusammengefasst. Es ist Maria Eberhards Porträt ihrer Freundin Maria Gögler. Es zeigt eine junge Frau im roten Mantel, mit Bubikopf, roten Lippen, selbstbewusstem Blick. Und dann hält sie in ihrer linken Hand auch noch eine Zigarette, die um 1900 als eine Art Symbol des Kampfes gilt. Sich selbst hat Eberhard in dieser Zeit mit Anzug, Krawatte, kurzem Haar und Hut dargestellt.

Eine künstlerische Ausbildung konnten Frauen bis zur Öffnung der Akademien nur bei Privatlehrern machen, was meist Töchtern aus Adel und wohlhabendem Bürgertum vorbehalten war, sowie an privaten Malschulen. Außerdem bestand die Möglichkeit, an den Kunstgewebeschulen eine Ausbildung zu absolvieren. Während die Malschulen für Männer meist als Vorbereitung auf das Studium dienten, waren sie für Frauen der einzige Weg. Entsprechend gefragt waren solche Einrichtung, 1914 etwa gab es alleine in München etwa 60 davon. Zu einer Repräsentation von Künstlerinnen in Museen und Sammlungen haben die Einrichtungen nicht geführt. Eine Anfrage der Ausstellungsmacherin beim Münchner Lehnbachhaus ergab, dass der Anteil der Künstlerinnen im Bestand im Jahr 1900 bei einem Prozent lag, 1945 bei sechs Prozent - und bis 2019 gerade einmal auf 20 Prozent gestiegen ist.

© SZ vom 04.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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