Kritik am Sicherheitskonzept:Brucker Sicherheitsdebatte

Lesezeit: 2 min

Quer gestellte Fahrzeuge der Faschingsgesellschaft sollen auf dem Geschwister-Scholl-Platz die Faschingsfeier vor einem terroristischen Angriff mit einem Fahrzeuge sichern. (Foto: Günther Reger)

SPD-Politiker Axel Lämmle hält Auflagen für Freiluftveranstaltungen für überzogen, das Terrorrisiko für denkbar gering und Straßensperren für wirkungslos. Vertreter anderer Parteien und Gruppierungen stimmen ihm zu

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Seit dem Terroranschlag in Berlin spaltet die Frage die deutsche Politik und Gesellschaft - und nun geht der Riss augenscheinlich auch mitten durch die Kreisstadt: Die Polizei dringt darauf, große Freilichtveranstaltungen so abzusichern, dass kein Lastwagen durchbrechen kann. Brucker Politiker, allen voran Axel Lämmle von der SPD, verlangen genau das Gegenteil. Credo: Es ist realitätsfern, dass ausgerechnet eine Kleinstadt wie Fürstenfeldbruck zum Ziel von Terroristen wird. Vor allem aber: Wir lassen uns von Extremisten nicht beeindrucken und akzeptieren nicht, dass diffuse Angst sich über den Alltag legt und die offene Gesellschaft sich einigelt.

Der Verkehrsausschuss beschließt am Dienstagabend nach kontroverser Debatte einstimmig, diese sehr grundsätzliche Sache zur Bearbeitung an die Stadtverwaltung und dann zur politischen Bewertung ans große Stadtratsplenum zu verweisen. Damit wird die Debatte vom Geschwister-Scholl-Platz abgelöst, der zunächst durch einen Antrag von Willi Dräxler in den Blickpunkt gerückt war. Titel: "Sicherung des Geschwister-Scholl-Platzes gegen Angriffe mit Fahrzeugen/weitere Verbesserungen." Darin spricht sich der BBV-Stadtrat unter anderem dafür aus, die defekten Poller an der Südseite des Platzes zu reparieren und auch die zweite große Zufahrt an der Nordseite mit einer solchen versenkbaren Anlage nachzurüsten. Dräxler, der am Dienstag selbst nicht anwesend ist, bezieht sich damit auf das Sicherheitskonzept der Stadt. Diese hatte im Februar zwar die vor allem von der Polizei geforderten Auflagen etwas gelockert, von Faschingsfreunden und Heimatgilde bei ihren Faschingveranstaltungen auf dem Platz am S-Bahnhof Buchenau aber dennoch gefordert, beide Zufahrten mit quergestellten Kleintransportern zu blockieren sowie mehr Sicherheitspersonal einzusetzen. Auch beim Marktsonntag wurden Zufahrtsstraßen durch quergestellte Oldtimer-Lastwagen der Bundeswehr, Betonblumenkübel und Gitter abgesperrt.

Axel Lämmle redet sich bei seiner letzten Sitzung in dem Fachgremium vor der Niederlegung seines Mandats Ende Mai in Rage. Zufahrten mit Blick auf mögliche Terroranschläge abzusperren, hält er für "unfassbar bescheuerten" und "sinnlosen, idiotischen Aktionismus". Und weiter: "Wir opfern hier unsere Freiheit". Die Bedrohung sei "hochgradig gering", auch wenn die Polizei "völlig panisch" alle möglichen Sicherungsmaßnahmen fordere. Was die bringen sollen, erschließt sich dem SPD-Politiker nicht. Um Platz für Rettungskräfte und Passanten zu lassen, hätten auch die Lastwagen beim Marktsonntag eine mehr als zwei Meter breite Lücke gelassen - wer hier mit einem großen Geländewagen Unheil stiften will, der könne das auch, so Lämmle. Gleiches gelte für die Blumenkübel, die eine 3,50 Meter große Lücke offen gelassen hätten. Lämmle fordert ein Bekenntnis, dass "wir uns hier nicht ändern" und erhält Zuspruch aus den Reihen der CSU und der BBV und aller anderen im Ausschuss vertretenen Gruppierungen. Irene Weinberg warnt auch davor, dass viele vereine die mit Sicherheitsauflagen verbundene hohe finanzielle Bürde gar nicht stemmen könnten.

Gegen Dräxler richteten sich seine Vorwürfe nicht, betont Axel Lämmle nach einer Ermahnung Hardy Baumanns (BBV) und zieht auf Vermittlung von Dritter Bürgermeisterin Karin Geißler (Grüne) seinen Änderungsantrag, "auf aktionistische Maßnahmen" ganz zu verzichten, zurück - zugunsten der Wiedervorlage im Stadtrat. Angenommen werden die von der Verwaltung vorgeschlagenen Maßnahmen, die Dräxlers Anregungen teils aufgreifen: Die geforderten größeren Abfallbehälter sollen zwar nur bei Veranstaltungen mit vielen Besuchern aufgestellt werden. Installiert werden soll am Kreisverkehr aber das Straßenschild "Geschwister-Scholl-Platz". Und mit der Bahn soll über eine bessere Beschilderung des Zugangs zum S-Bahnhof verhandelt werden.

Die acht Jahre alten, defekten Poller beim Kino, die durchschnittlich alle sechs Minuten abgesenkt werden müssen, um Bussen die Durchfahrt zu ermöglichen, sollen durch eine neue Anlage für etwa 35 000 Euro ersetzt werden. Auf den Bau einer stabilen zweiten Polleranlage im Norden wird verzichtet. Auch deshalb, weil dies wegen der dort verlaufenden unterirdischen Leitungen sehr aufwendig und teuer wäre.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: