Kottgeisering:Ran ans Holz

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In der passenden Handwerkerkluft: die Kottgeiseringer Auszubildende Charlotte Kleemann. (Foto: Privat)

Charlotte Kleemann beweist, dass Frauen im harten Zimmereralltag bestehen können

Von Franziska Schmitt, Kottgeisering

Das Hantieren mit schweren Dachbalken in luftiger Höhe, bei Wind und Wetter draußen: Der Beruf des Zimmerers ist körperlich und handwerklich fordernd. Dass Frauen das immer noch von Männern dominierte Handwerk genauso erlernen können, beweist Charlotte Kleemann. Die 19-Jährige aus Kottgeisering macht seit September 2019 eine Ausbildung in der Zimmerei Max Kiener in Emmering. Der Wunsch, Architektur zu studieren, brachte sie dem Handwerk näher. Auch nach einem Jahr erfüllt sie die körperliche Arbeit draußen im Freien gemeinsam mit Kollegen mit Zufriedenheit. Neben Kiener und Kleemann gehören zwei weitere Zimmerergesellen zum Team des Familienbetriebes.

Kleemann ist eine junge, selbstbewusste Frau mit schlanker Statur. Ihre blonden Haare trägt sie zusammengebunden. Die traditionelle Hose aus dickem, schwarzem Cordstoff wird nur zu besonderen Anlässen ausgepackt. Ansonsten sieht man Kleemann auf der Baustelle in Englischleder gekleidet. "Englischleder, so nennt man das Material, der klassischen Zimmermannshosen, wenn sie eben nicht aus Cord sind," erklärt sie. Ansonsten sind sie sehr ähnlich: weitgeschnittene Beine, vorne zwei Reißverschlüsse, leicht abgeschrägt.

Am Anfang, als es von der Schulbank auf die Baustelle ging, habe ihr für manches die körperliche Kraft gefehlt, sagt Kleemann. Da gehe es aber ihren männlichen Kollegen zu Beginn der Ausbildung nicht anders. Ihr Chef Max Kiener habe immer gesagt: "Wenn du Hilfe brauchst, dann frag'." Das habe sie auch gemacht. Mit der Zeit habe sie immer mehr alleine stemmen können. Höhenangst hat Kleemann keine. Ein "gesunder Respekt und eine gewisse Vorsicht" seien aber durchaus ratsam. In ihrem Jahrgang an der Berufsschule ist sie nicht die einzige Frau. Unter den 50 Lehrlingen sind drei weitere.

Die Zimmerei Max Kiener ist ein Familienbetrieb. So beginnt der Arbeitstag normalerweise, wenn Kontakte nicht coronabedingt eingeschränkt werden müssen, in der Küche der Familie. Kurz vor sieben Uhr wird bei einem Kaffee der Tag besprochen. Danach geht's ans Beladen des Autos und weiter auf die Baustelle. Um 17 Uhr ist Feierabend, manchmal dauert es aber auch länger. In der Anfangszeit ihrer Lehre sei sie abends sofort nach dem Essen ins Bett gefallen, erzählt Kleemann. Mit der Zeit habe sie sich daran gewöhnt und abends noch Energie gehabt, sich mit Freunden zum Essen zu treffen.

Nach dem Abitur noch länger in der Theorie zu bleiben, war für Kleemann keine Option. "Ich wollte rausgehen und was machen." Abitur hat sie auf dem Gymnasium Landheim Ammersee gemacht. Dort besuchte sie den Wirtschaftszweig. Ihr drittes Prüfungsfach war Kunst. Handwerkliches Geschick im Umgang mit verschiedenen Materialien habe sie bereits in der Goldschmiedewerkstatt ihrer Mutter und der Töpferei ihrer Großmutter unter Beweis stellen können, erzählt sie. Ihre Familie habe sie beider Suche nach einem Ausbildungsbetrieb unterstützt. Viele ihrer Freunde wissen hingegen wenig mit diesem Beruf anzufangen.

Eigentlich wollte Kleemann seit der achten Klasse Architektin werden. "Architektur fand ich einfach interessant." Durch ihre Schule habe sie die Möglichkeit gehabt, mit einer Architektin zu sprechen. Auf ihre Empfehlung sammelte sie Praxiserfahrung auf der Baustelle. "Da habe ich gemerkt, dass das mein Ding ist," sagt Kleemann.

Besonders begeistert ist sie von dem Arbeitsklima im Betrieb und auf den Baustellen. "Ich mag es so unglaublich gerne, weil die Leute, mit denen man dort arbeitet, so ehrlich sind." Zwar gebe es auch unter ihnen Konkurrenzdenken, aber alle wissen, dass sie sich auf der Baustelle aufeinander verlassen können müssen. Unter den Zimmerern und den Lehrlingen treffe sie immer wieder sehr interessante Menschen, die ihren Blick auf die Welt verändert haben. "Durch meine Ausbildung habe ich mich sehr weiterentwickelt," sagt Kleemann und erklärt: "Man wird schon ein bisschen taffer."

In ihrer Freizeit engagiert sich die 19-Jährige ehrenamtlich bei der Wasserwacht und trainiert Kinder. Danach schwimme sie selbst gerne noch ein paar Runden, sagt die junge Frau. Das sei ein guter Ausgleich. Immer schon habe sie gerne Sport gemacht, das habe sie sich auch während der Ausbildung behalten wollen.

Charlotte Kleemann ist bereits im letzten Lehrjahr. Denn aufgrund ihres Abiturs konnte sie das Grundausbildungsjahr überspringen. Nach ihrer Ausbildung will sie erst mal als Zimmerin arbeiten. In der Pandemiezeit sieht sie darin eine sichere Berufsperspektive. Anders als ihre Freunde, die studieren, müsse sie nicht die ganze Zeit zu Hause vor dem Bildschirm sitzen. "Vielen fällt die Decke auf den Kopf."

Irgendwann nach der Pandemie will sie an der Technischen Hochschule in Rosenheim Bauingenieurswesen mit dem Schwerpunkt "Nachhaltiges und energieeffizientes Bauen mit Holz studieren". Sie ist überzeugt von Holz als Baumaterial. Es sei ein natürlicher, nachwachsender Rohstoff, erklärt Kleemann. Es mache Spaß, damit zu arbeiten. In ihrer Ausbildung hat sie viel über nachhaltige Bauweise gelernt. Zum Beispiel, dass man Weichfaser aus Restholz statt Glaswolle als Dämmmaterial verwenden kann. Ihrer Meinung nach sind Zimmerer in Sachen Nachhaltigkeit manchen anderen Handwerkern voraus.

© SZ vom 11.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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