Kottgeisering:Auf der Suche nach den Schuldigen

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Bei einer Informationsveranstaltung der CSU geht es um das Volksbegehren und die Ursachen des Artensterbens. An eine Verantwortung der Agrarindustrie wollen manche nicht glauben

Von Ingrid Hügenell, Kottgeisering

Bei einem Informationsabend der CSU Kottgeisering zum Volksbegehren "Rettet die Bienen" gegen das Artensterben haben einige Besucher der wissenschaftlichen Erkenntnis widersprochen, dass vor allem die industrialisierte Landwirtschaft und die wachsende Versiegelung der Landschaft für den dramatischen Artenschwund verantwortlich sind.

Habicht, Flugverkehr und Mobilfunkstrahlung sind für sie die eigentlichen Schuldigen. Die CSU hatte Kreisobmann Georg Huber als Vertreter des Bauernverbands und den Biologen Matthias Luy als Experten eingeladen, um über das Volksbegehren zu informieren, das die Staatsregierung nun annehmen will.

Ist Mobilfunkstrahlung schuld am Artensterben? (Foto: Carmen Voxbrunner)

Luy ist beim Landesbund für Vogelschutz (LBV) Beauftragter für Artenvielfalt. Er beobachtet seit seiner Jugend Vögel und kennt den Schwund aus eigener Anschauung. Huber bewirtschaftet einen Ackerbaubetrieb mit Pferdehaltung in Puchheim und stellt gerade auf ökologische Landwirtschaft um, er gehört dem Naturland-Verband an. Das Volksbegehren lehnt er eigentlich ab.

Denn er sieht die Bauern an den Pranger gestellt. Ohnehin seien sie in ihrer Berufsausübung hoch belastet durch viel Bürokratie und Kontrollen. Wenn die Landwirte auf eine ökologischere Wirtschaftsweise umstellen sollten, müsse sich das für sie lohnen, fordert er. Nach der Ankündigung der Staatsregierung, das Begehren annehmen zu wollen, "ist bei uns Landwirten der Teufel los", es herrsche Angst. "Unsere Hoffnung war, dass die Regierungsparteien einen Gesetzentwurf machen, der ohne Fehler ist." Man werde den neuen Weg mitgehen, allerdings mit Bedenken, ob das finanziell zu leisten ist. "Die Landwirtschaft ist politisch gesteuert seit dem Krieg, wir sind immer den Weg gegangen, den die Politik vorgegeben hat", sagt Huber. Denn sie sei Teil und Spiegel der Gesellschaft.

Auch der Flugverkehr steht unter Verdacht. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Initiatoren des Volksbegehrens hätten die selben Ziele wie die Landwirte, sagt Luy: "Bessere Entlohnung für Umweltleistungen, nicht nur für Mehraufwand und Ertragsausfall." Die vielen Kontrollen seien unsinnig, die Bürokratie müsse weniger werden. Luy bemüht sich, die Gründe für das Artensterben darzulegen. Die sieht er sehr wohl in der intensiven Landwirtschaft. "Insektizide sollen Insekten töten. Das tun sie auch. Deshalb muss man sich nicht wundern, wenn es keine Insekten mehr gibt, wo man spritzt", sagt er.

Der Habicht sei nicht für den Verlust von Singvögeln verantwortlich. Das liege vielmehr an den gleichförmig-glatten Wiesen und Feldern, auf denen es keine Strukturen mehr gebe, in denen Insekten überleben, Vögel sich verstecken und nisten könnten. Durch die intensivierte Grünlandbewirtschaftung mit häufigen Grasschnitten, Walzen des Bodens und vermehrter Düngung seien die Feldlerchen aus dem Alpenvorland verschwunden. Dagegen hätten sich Grauammern nach der Wende auf brachliegenden Agrarflächen in Ostdeutschland explosionsartig vermehrt. Im Landkreis ist sie hingegen sehr stark zurückgegangen. "Zwischen der Struktur der Wiesen und Felder und dem Vogelbestand besteht ein ganz enger Zusammenhang." Huber nennt als ein Problem die vielen Spaziergänger mit freilaufenden Hunden. Die Landwirte täten nichts Verbotenes. Die verwendeten Spritzmittel seien zugelassen, die Bauern müssten sich ausbilden lassen, um sie anwenden zu dürfen. "Wir sind in der Lage, das so punktgenau auszubringen wie noch nie." Huber glaubt, dass die Landwirte sich an die Vorschriften halten, und er glaubt auch den Herstellern. Glyphosat, das Totalherbizid, das jedes pflanzliche Leben auf dem Feld abtötet, habe "wirtschaftliche und ackerbauliche Vorteile". Huber nennt es "Pflanzenschutzmittel".

Auf Einladung der CSU Kottgeisering, vertreten durch den Vorsitzenden Rasso Ostermeir (links) diskutieren Georg Huber (Mitte) und Matthias Luy. (Foto: Günther Reger)

"Ein Totalherbizid als Pflanzenschutzmittel zu bezeichnen, ist absurd", sagt Luy. Und ja, die Mittel seien zugelassen. "Trotzdem darf man seine Zweifel haben. Es ist ein Milliardengeschäft, da wird getrickst und betrogen." Die Hersteller betrieben eifrig Lobbyismus. Prüfbehörden, die eigentlich die Mittel testen sollten, schrieben die Texte von den Herstellern ab. Wie mehrere Mittel zusammenwirkten, werde nie getestet, der Einfluss auf Amphibien auch nicht, und der auf die Wasserorganismen an den relativ unempfindlichen Wasserflöhen. Für Luy ist klar, dass die Insektengifte Insekten und andere Tiere beeinträchtigen oder töten. Einen Zusammenhang mit Flugverkehr und Handystrahlung gebe es Studien zufolge hingegen nicht. Fliegen sei aber sehr wohl klimaschädlich.

© SZ vom 09.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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