Kontra-Kommentar:Ein Akt der Provokation

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(Foto: SZ)

Die Räumungsaktion des Landratsamtes verletzt die Privatheit der Asylbewerber. Dabei ist gerade die so wichtig für sie

Von Gerhard Eisenkolb

Der Euphorie folgt die Ernüchterung. Es ist erst etwas mehr als ein Jahr her, dass Flüchtlinge im Landkreis Fürstenfeldbruck und von Landrat Thomas Karmasin mit offenen Armen empfangen wurden. Damals war man sich im Kreistag einig, Asylbewerber nach genau den Standards unterzubringen, die für die hier lebende Bevölkerung gelten. Das sieht inzwischen leider anders aus. Es besteht die Gefahr, dass mit dem allgemeinen Rechtsruck die Willkommenskultur kippt. So müssen sich inzwischen auch im Landkreis Asylhelfer anpöblen lassen, weil sie dazu beitragen, dass die bei einigen unerwünschten Fremden es angeblich so gut haben und bleiben dürfen. Die Räumungsaktion des Landratsamts in den Unterkünften ist abzulehnen, weil sich durch sie diejenigen bestätigt fühlen, die gegen Flüchtlinge sind.

In einer angespannten Situation der Ängste und aufkeimender Ausländerfeindlichkeit sind solche Aktionen zudem eine Provokation. Wer Heimatlosen und Schutzsuchenden, also Schwachen, die wenigen privaten Dinge wegnimmt, die deren Großunterkünfte etwas menschlicher und anheimeliger machen, beschwört Proteste herauf. Schließlich setzt sich das Landratsamt damit zurecht dem Vorwurf aus, das auch zu tun, damit sich Flüchtlinge hier nicht wohl fühlen und möglichst bald wieder gehen, konterkariert ein solches Vorgehen doch die Integrationsbemühungen.

Offensichtlich hat man das auch im Landratsamt eingesehen. Sonst wäre die Entrümpelungsaktion nicht kurz vor Weihnachten vorerst gestoppt worden. Die Verantwortlichen haben einen großen Spielraum, den sie nutzen sollten. Denn es ist nicht zwingend vorgegeben und vor allem nicht notwendig, jeden Holzschrank durch einen Metallspind zu ersetzen, um Brandschutz zu gewährleisten. Und der Landkreis ist auch nicht gezwungen, alle Zimmer, in denen Flüchtlinge leben, gleich öde auszustatten. Da nicht alle Asylbewerber gleich sind und es auch hier ordentliche und unordentliche Menschen gibt, wäre es unangemessen, alle über einen Kamm zu scheren. Um der Menschlichkeit willen kommt die Landkreisbehörde deshalb um Sonderlösungen nicht herum.

© SZ vom 17.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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