Kommentar:Worte ohne Wirkung

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Mit Willensbekundungen allein lassen sich die S-Bahn-Ausfälle nicht in den Griff bekommen

Von Erich C. Setzwein

Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann hat die Bahn wegen des Durchfahrens von S-Bahnhaltestellen bei Verspätungen gerügt und sie gleichzeitig wegen des enormen Drucks im Münchner S-Bahnsystem in Schutz genommen. Mehr haben die Kommunalpolitiker aus den Gemeinden entlang der S-Bahnlinie 3 auch nicht erwarten können. Herrmann hätte nie versprochen, den Verantwortlichen bei der DB Regio, die die S-Bahn in München betreibt, so die Meinung zu sagen, wie das täglich Tausende Fahrgäste tun, die auf die S-Bahn angewiesen sind.

Bei allen Statistiken zur sogenannten Jahrespünktlichkeit zählt nicht die Summe aller Verspätungen im Mittel, sondern es zählen jene Minuten und Stunden, die jeder Einzelne an Bahnhöfen in einem völlig überlasteten S-Bahnnetz ausharren muss. Ob am Bahnhof in Puchheim bei Wind und Wetter auf der S 4 oder im stickigen Untergeschoss des Haltes Marienplatz - gewartet wird immer. Der Ärger, der sich dabei aufstaut, dürfte aber meist von einer Ohnmacht begrenzt werden, weil jeder einzelne Fahrgast von diesem System abhängig ist. Wer sich mit dem eigenen Auto jeden Morgen und jeden Abend in den Stau stellt, ist selbst dafür verantwortlich. Für die Stauungen in der S-Bahnröhre oder das Durchfahren von Haltestellen aber tragen die Verantwortung jene Politiker, die den Apparat und die Zeit haben, wohl abgewogene Antworten an fast schon verzweifelte Kommunalpolitiker draußen im Landkreis Fürstenfeldbruck zu verfassen.

Würde Joachim Herrmann in Hattenhofen oder Kottgeisering wohnen und täglich mit Bus und S- oder U-Bahn ins Büro am Odeonsplatz fahren müssen, hätte er womöglich mehr Zeit zum Aktenstudium als im Dienstwagen. Würden er und seine Ministerkollegen öfter miterleben, wie sich dieses S-Bahnsystem mehrmals am Tag an seine Grenzen bewegt und gerade noch so funktioniert, würden vielleicht andere Maßnahmen politisch stärker vorangetrieben als die des Prestigeprojekts zweite Stammstrecke. Doch sich unters Volk mischen, mit ihm in überfüllten Zügen zu stehen oder auf zugigen Bahnhöfen auf verspätete S-Bahnen zu warten, das wollen dessen Vertreter nun wirklich nicht.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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