Kommentar:Widerliche Entgleisung

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Landrat Thomas Karmasin tut seine Meinung zu menschlicher Vermehrung kund - mit einer nicht akzeptablen Aussage

Von Florian J. Haamann

Landrat Thomas Karmasin hat sich ja schon des Öfteren im Ton vergriffen. Etwa, als er im Februar 2015 Menschen aus Osteuropa pauschal als "Winterurlauber auf Kosten unserer Steuerzahler" bezeichnet hat. Besonders gerne stürzt er sich auch auf alles, was mit Jugendhilfe und Betreuung zu tun hat. Ein Beispiel: "Ich werde erst richtig glücklich sein, wenn wir auch sozialpädagogische Unterstützung für Doktoranden eingeführt haben". Stets werden solche Ausfälle mit Karmasins ironisch-lockerer Art gerechtfertigt, und man betont, dass er es nicht so böse gemeint habe. Eine absolute Unkultur des Relativierens. Doch was er sich nun geleistet hat, ist an Widerlichkeit nur schwer zu toppen und darf nicht wieder in der Schublade mit seinen gesammelten Ausfällen verschwinden. Denn soviel elitäre Menschenverachtung hat selbst er sich noch nicht geleistet.

In der Debatte der jüngsten Kreisausschuss-Sitzung über die finanzielle Unterstützung von Menschen, die verhüten möchten, es sich aber nicht leisten können, kommentierte Karmasin wörtlich: "Bei manchen Menschen ist es besser, wenn sie sich nicht vermehren." In Karmasins Welt gibt es also Menschen, die es wert sind, Kinder zu bekommen, und solche, die es besser lassen sollten - und er weiß genau welche das sind. Arme Menschen gehören bei ihm ganz offensichtlich zu den zweiten. Dass er dafür das Wort "vermehren" nutzt, das sonst für die Tierwelt verwendet wird und das eher mit unkontrollierten Plagen verbunden wird, macht das Zitat noch einmal menschenverachtender. Man braucht gar nicht soweit zu gehen, einen Eugenik-Vergleich zu bemühen, um Karmasins komplette Aussage und das Menschenbild, das dahinter steht, zu verurteilen. Dafür muss man ihn einfach nur beim blanken Wort nehmen. Da Karmasin zweifelsohne ein intelligenter und rhetorisch fitter Mensch ist, sind solche Aussagen weder Dummheiten noch Ausrutscher. Sie sind Ausdruck einer offenbar tief sitzenden Überzeugung: Manche Menschen sind wertvoller als andere.

© SZ vom 17.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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