Kommentar:Weit weg vom großen Wurf

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Die MVV-Tarifreform macht das Nahverkehrssystem durchschaubarer und in manchen Teilen auch billiger. Doch viele Ungereimtheiten bleiben

Von Peter Bierl

Der größte Vorzug der MVV-Tarifreform ist, das es übersichtlicher wird. Der Wirrwarr von Ringen und Zonen, unter dem die Amateure unter den Fahrgästen gelitten haben, sowie eklatante Tarifsprünge werden beseitigt. Dafür muss man Politiker von Freistaat, Landeshauptstadt und Umland, die als Gesellschafter dafür die Verantwortung tragen, aber nicht loben. Die Korrektur war seit Jahrzehnten überfällig. Erfreulich ist, dass die Tickets bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2019 für die große Mehrheit der Passagiere aus dem Landkreis sogar etwas günstiger werden, sofern Ankündigungen und Berechnungen des MVV sowie des Landratsamts Fürstenfeldbruck stimmen. Obendrein gibt es endlich ein Sozialticket für die wachsende Zahl der Menschen, deren niedrige Löhne kaum reichen. Das Defizit soll durch höhere ÖPNV-Zuschüsse des Freistaates an die Kreise sowie höhere Einnahmen durch mehr Fahrgäste gedeckt werden.

Wenn allerdings ein Drittel der Fahrgäste wohl tiefer in die Tasche wird greifen müssen, macht das den öffentlichen Nahverkehr nicht attraktiver, im Gegenteil. Das Prinzip, dass eine Kommune als eine Zone gilt, ist sehr gut, gilt aber leider nicht für die Bahn in Esting und Olching sowie Germering und Harthaus, wo es dazu beitragen könnte, den Autoverkehr zu reduzieren. Ganz schlecht ist, dass die Preise für Tageskarten in die Münchner Innenstadt ansteigen und zwar teilweise drastisch, um mehr als zehn Prozent an neun von 18 Bahnhöfen des Landkreises. Statt "Gelegenheitsfahrer" zu strafen, wäre es besser, gerade diese Klientel mit Schnupperangeboten zu gewinnen.

Der große Wurf ist diese MVV-Tarifreform wahrlich nicht. Mit Eigenlob sparen die Regenten dieses Bundeslandes nie, aber was den ÖPNV betrifft, spielt der Großraum München nicht in der Champions League sondern ist allenfalls drittklassig. Geradezu peinlich ist die Schlafmützigkeit, die sich darin zeigt, dass die technischen Voraussetzungen für eine Chipkarte fehlen, mit der alle Fahrgäste einfach und unkompliziert für einen Transport mit Bus oder Bahn bezahlen können. Im wesentlich größeren London gibt es dafür schon seit vielen Jahren die sogenannte Oyster-Card, in Norditalien den Südtirol-Pass für die ganze Region.

© SZ vom 10.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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