Kommentar:Von der Realität überholt

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Der Oekumenische Sozialdienst Gröbenzell musste sich von der Diakonie unabhängig machen

Von Karl-Wilhelm Götte

Besonders die Einstimmigkeit des Beschlusses der Mitgliederversammlung des Oekumenischen Sozialdienstes Gröbenzell, die Anbindung an die Diakonie, also an die evangelische Kirche, aus der Satzung zu streichen, überrascht. Doch die Mitglieder hatten sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Sie kam erst nach einer längeren Debatte und zum Teil leidenschaftlichen Beiträgen zustande. Die Diakonie hatte diesen Rausschmiss aber auch geradezu provoziert, indem sie zwei Jahre lang jeden Kompromiss mit dem Vorstand des Sozialdienstes ablehnte und auch kein Signal gab, dass sich ihre Position ändern könnte.

Dem Vorstand waren letztlich seine langjährigen Mitarbeiter, von denen einige aus der Kirche ausgetreten sind, lieber als die Zugehörigkeit zur Diakonie, die dem Sozialdienst zudem keine materiellen Vorteile brachte. Auch leuchtet es ein, dass sich der Sozialdienst bei der angespannten Personallage im Bereich Altenbetreuung und -pflege nicht vorschreiben lassen will, wen er beschäftigt. Die Bindung einer Arbeitsstelle an einen formalen christlichen Glauben, wie ihn das kirchliche Arbeitsrecht fordert und wie er auch im unmittelbaren Bereich der Kirchen praktiziert wird, trifft die Wirklichkeit des Lebens nicht mehr. Inzwischen übertrifft die Zahl der konfessionslosen Menschen die Anzahl der Mitglieder in den beiden großen christlichen Kirchen.

Wie immer man dazu steht, diese Fakten gilt es zur Kenntnis zu nehmen. Erstaunlich fanden es alle Beteiligten des Gröbenzeller Sozialdienstes, dass die evangelische Kirche sich hier betonköpfig zeigte. "Es tut mir leid für die evangelische Kirche, aber es darf niemand ausgeschlossen werden", kritisierte Gröbenzells Gemeinderat Michael Leonbacher bei der Versammlung die unversöhnliche Haltung der Diakonie und fasste die Stimmung im Saal dann auch zutreffend zusammen: "Wir haben deutlich die Hand gereicht. Steuergelder aller Gröbenzeller sind auf alle Gröbenzeller zu verteilen." Die Caritas wollte die Anbindung an den Oekumenischen Sozialdienst, der jetzt laut Satzung keiner mehr ist, nicht aufgeben und sich nicht das Etikett "typisch katholische Kirche" aufkleben lassen und hat sich eines rhetorischen Kniffs bedient. Doch entscheidend ist, was vor Ort passiert und da soll sich nach laut allen Beteiligten nichts ändern.

© SZ vom 24.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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