Kommentar:Vom Markt verdrängt

Lesezeit: 1 min

Städte und Gemeinden müssen selbst zu Bauherren werden, um den begehrten Wohnraum zu schaffen

Von Erich C. Setzwein

Wenn ein Banker davon spricht, dass ein Kreditgeschäft "unsittlich" sei und er es deshalb nicht gemacht habe, dann scheint er noch Prinzipien zu haben. Andere werden keine Skrupel gehabt haben, als sie einen Bauträger, der bei der Sparkasse Fürstenfeldbruck abblitzte, mit Kapital ausstatteten, weil der in München Wohnungen zum Quadratmeterpreis von 23 000 Euro verkaufen wollte. 23 000 Euro? Ja, so viel wird aufgerufen, und sogar noch mehr. Darf man da überhaupt noch Sitte, Anstand und Moral haben, wenn man in der Metropolregion München Immobiliengeschäfte macht?

Seit Jahren boomt München, es ziehen die Global Player in die Stadt oder das stadtnahe Umland und bringen Personal mit, das sie teuer bezahlen. Die Angestellten können sich teure Wohnungen leisten, was Investoren antreibt, immer teureren Wohnraum zu schaffen, um die Nachfrage zu befriedigen. Inzwischen ist aber München nicht mehr genug, auch Städte im Landkreis, wie etwa Germering, sind attraktiver geworden. Die Preise ziehen an, und die Einheimischen haben das Nachsehen. Der angeblich bezahlbare Wohnraum, den alle fordern, ist doch bloß eine Floskel. Jede Wohnung ist bezahlbar, irgendwie.

Der Markt verdrängt ganz bewusst jene, die vergleichsweise geringe Einkommen haben, die ihre Ausgaben genauestens kalkulieren müssen. Es sind nämlich nicht die Global-Player-Manager, die die Supermärkte am Laufen halten, die Kinder betreuen, die Alten pflegen und die Schulen und Turnhallen feucht durchwischen. Und da der Markt unanständig sein muss, weil sonst keine hohen Umsätze gemacht werden, da kein Mietendeckel verhindern kann, dass sich mittlere bis untere Einkommen Wohnraum leisten können, müssen eben die Städte und Gemeinden einspringen.

Gerade die Gemeinden im westlichen Landkreis sollten ein großes Interesse daran haben, mittelfristig Wohnungen zu schaffen oder Einheimischenmodelle anbieten für jene, die wegen der absehbaren Verteuerung auf dem Immobilienmarkt eigentlich wegziehen müssten, aber am Ort gebraucht werden und bleiben wollen. Und auch die Stadt Fürstenfeldbruck würde sich verantwortungsvoll verhalten, wenn sie bei der Konversion des Militärgeländes so viel Platz zum Wohnen wie möglich erwerben würde.

© SZ vom 13.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: