Kommentar:Viel zu schade für den Müll

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Fall zweier "Lebensmittel-Retterinnen" belegt den gesetzlichen Änderungsbedarf

Von Ariane Lindenbach

Der Sachverhalt ist mit gesundem Menschenverstand schwer zu akzeptieren: In weniger entwickelten Ländern verhungern Menschen, während in den reichen Industrienationen Tag für Tag Lebensmittel auf dem Müll landen - wegen leichten Schönheitsmängeln oder nahendem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD). Nach einer Studie der Universität Stuttgart wirft jeder Deutsche 82 Kilogramm Lebensmittel pro Jahr in die Tonne, obwohl es auch in der reichen Bundesrepublik genügend Menschen gibt, die sie gut brauchen könnten.

Trotz der beschämenden Diskrepanz bestraft der Gesetzgeber Menschen, die diese Nahrungsmittel aus dem Müll holen und ihrer ursprünglichen Bestimmung zuführen. So wie voraussichtlich zwei junge Frauen, die mit dem Containern in erster Linie darauf aufmerksam machen wollen, dass hier etwas schief läuft. Die Studentinnen aus Olching lehnen die immer kulanteren Angebote der Staatsanwaltschaft zur Einstellung ihres Verfahrens gegen immer geringere Auflagen standhaft ab. Denn sie wollen nichts weniger als eine Gesetzesänderung erreichen: Containern soll straffrei werden, und Supermärkte zur Abgabe genießbarer Lebensmittel verpflichtet.

Dass es auch jetzt schon andere Möglichkeiten als die Tonne gibt, macht das AEZ vor. Das Familiengeführte Unternehmen verschenkt Waren an dem Tag, an dem ihr Mindesthaltbarkeitsdatum abläuft. Zum Verständnis: Das MHD garantiert bestimmte Eigenschaften eines Lebensmittels, unter anderem eine ansprechende Optik. Nach seinem Ablauf ist beispielsweise der Joghurt in seiner Konsistenz etwas verändert, so dass man ihn gut umrühren muss - unbedenklich genießbar aber ist er nach wie vor. Trotzdem ist nach aktueller Gesetzeslage derjenige haftbar, der Lebensmittel nach Ablauf des MHD in Umlauf bringt. Mit seiner Methode hat das AEZ einen Weg gefunden, die Haftungsfrage zu umgehen und die Lebensmittel unter die Menschen zu bringen. Mit bemerkenswertem Nebeneffekt: Der Markt hat zwei Drittel weniger Müll. Das spart Kosten und schont die Umwelt.

© SZ vom 28.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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