Kommentar:Vertriebswege in die Irre

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Die neuen Geschäftsfelder, die die Solidargemeinschaft anvisiert, könnten dem Image der Marke schaden

Von Erich C. Setzwein

Niemand will mehr Metzger werden. Zu blutig ist der Job, ständig ist es kalt und es stinkt nach Tod. Niemand will mehr Bäcker werden, weil die Arbeitszeit mitten in der Nacht beginnt, das Mehl staubt und der Backofen heiß ist. Aber keiner will mehr auf frisch gebackene Brezen bis abends um acht Uhr verzichten, jeder will Fleisch und Wurst und das Ganze auch noch billig. Der Konsument sei schuld, behaupten die Vertreter des Ernährungshandwerks, und die aggressive Werbung von Aldi, Lidl, Rewe und Co.

Dabei müssten gerade die Bäcker wissen, dass den Konsumenten häufig genau das fehlt, was sie sich und ihren Teigen großzügig zugestehen: Geduld und Zeit. Diese beiden Faktoren, gepaart mit der dem Menschen eigenen Bequemlichkeit, führen zu einem deutlich veränderten Konsumverhalten: möglichst alles in einem Laden zu bekommen, das Auto gleich vor der Tür geparkt, um schnell zum nächsten Termin, Meeting oder "zu den Kids daheim" zu kommen. Der "Bäcker um die Ecke" wird dann nur noch am Sonntagmorgen aufgesucht, wenn beim Discounter im Gewerbegebiet der Ofen kalt bleibt.

Und wer überhaupt nicht mehr vor die Türe geht, der geht bei Amazon shoppen und lässt sich die Artikel auf die Minute genau liefern. Wer in diesem Geschäft mithalten will, muss rund um die Uhr Waren verfügbar haben. Das passt weder zu dem Urgedanken von Brucker Land, noch zu dem, was die Qualität von dessen Produkten ausmacht. Diese neuen Vertriebswege könnten in die Irre führen. Denn wer um 22 Uhr noch Brot für den kommenden Morgen bestellt und es vielleicht auch noch vor dem Zubettgehen per Kurierdienst bekommt, kann nicht erwarten, dass die Kruste fest und die Krume weich ist wie beim "Bäcker um die Ecke". Wenn dann so ein altbackenes Brötchen von Unser Land zum Kunden kommt, wird der ein solches Produkt kein zweites Mal kaufen. Und auch von den vielen anderen eigentlich guten Erzeugnissen wird er die Finger lassen, weil die Marke einen Makel hat.

© SZ vom 28.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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