Kommentar:Verpasste Chance zum Dialog

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Die Diskussion über Burkas zeigt, dass zu viel übereinander, aber zu wenig miteinander geredet wird

Von Florian J. Haamann

Das Thema Vollverschleierung - reduziert auf den Begriff Burka - hat momentan alle anderen Flüchtlingsfragen in der analogen und digitalen Welt in den Hintergrund gedrängt. Vor allem im Internet findet man derzeit dazu neben einigen wenigen vernünftigen Beiträgen vor allem viel Emotionalität, Klischees und Stimmungsmache von allen Seiten. Aber die Diskussionen zeigen auch, dass das Thema viele Menschen wirklich bewegt. So stark, dass sie sich motiviert fühlen, ihrer Meinung immer wieder Ausdruck zu verleihen. Da passte es also wunderbar, dass nun die Grünen kurzfristig eine Podiumsdiskussion zu genau diesem Thema veranstaltet haben. "Frauen in der Einwanderungsgesellschaft - Alles Burka oder was?". Schon der zugespitzte Titel bietet genug Raum für eine leidenschaftliche, abendfüllende Diskussion. Bei diesen Rahmenbedingungen könnte man also meinen, dass der Veranstaltungssaal an diesem Abend brechend voll gewesen sein muss. Doch das Gegenteil war der Fall. Lediglich sechs Interessenten hatten sich vor dem Podium eingefunden, um den geladenen Gästen zuzuhören und mit ihnen zu diskutieren.

Das ist eine ernüchternde Nachricht. Warum nehmen die Menschen, die sich sonst ununterbrochen zu diesem Thema äußern, dieses Diskussionsangebot nicht an? Warum nutzen sie nicht die Möglichkeit, mit einer der Frauen zu sprechen, über die sie sonst nur aus der Ferne reden? Wahrscheinlich weil es eben doch einfacher ist, sich im virtuellen Raum auszukotzen, als die reale Konfrontation zu wagen. Zumal die Gefahr besteht, dass die eigenen Argumente und Ängste plötzlich ins Wanken geraten. Denn wie soll man etwa reagieren, wenn die Frau für deren Selbstbestimmungsrecht man sich zuvor so vehement eingesetzt hat, einem erklärt, dass sie sich freiwillig verschleiert? Im Sinne der Integration wäre es deshalb nicht verkehrt, wenn künftig auch im Landkreis mehr mit und weniger übereinander gesprochen wird.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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